An den eigenen Floskeln

Heiner Müller «Zement»

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Die Besetzung, was die Rollen der Kommunisten angeht», darauf insistierte Müller, sie sei «so jung wie möglich». Begründung: «Sie haben mehr vor als hinter sich.» Als Ruth Berghaus 1973 die Uraufführung des Stückes gegen das penetrante Misstrauen der Kultur-Schickeria durchsetzte, konnte der Vorschlag noch als Vertrauensvorschuss in ein längst morbides schein-sozialistisches System gedeutet werden. Aber Müller wusste: «Der Text ist klüger als der Autor.» In der Ambivalenz seiner Sprachvisionen ist viel Raum für die Fakten der Wirklichkeit.

Nirgends ein Anzeichen für das Glück der befreiten Menschheit mit Händen zu greifen. Nur im Traum der Revolutionäre schimmert vage das Ziel. Ins Unbehauste greifend, vergessen sie ihre Kinder, lassen sie verkümmern in lieblosen staatlichen Heimen. Gleb Tschumalow (Stefan Schießleder), der Arbeiter, heimgekehrt aus den Torturen des Bürgerkriegs, hoffend auf Liebe und Heim, findet seine Frau nicht mehr, wie er sie verließ. Fasziniert von der Idee der Emanzipation, sucht Dascha, die Schöne, Zierliche (Stephanie Schönfeld), ihren Platz im Parteibüro. Umgewälzt sind alle gewohnten Verhältnisse.

Was sie vor sich haben, die hier mit glühender Energie ...

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Theater heute April 2006
Rubrik: Chronik, Seite 48
von Erika Stephan

Vergriffen
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