An den eigenen Floskeln
Die Besetzung, was die Rollen der Kommunisten angeht», darauf insistierte Müller, sie sei «so jung wie möglich». Begründung: «Sie haben mehr vor als hinter sich.» Als Ruth Berghaus 1973 die Uraufführung des Stückes gegen das penetrante Misstrauen der Kultur-Schickeria durchsetzte, konnte der Vorschlag noch als Vertrauensvorschuss in ein längst morbides schein-sozialistisches System gedeutet werden. Aber Müller wusste: «Der Text ist klüger als der Autor.» In der Ambivalenz seiner Sprachvisionen ist viel Raum für die Fakten der Wirklichkeit.
Nirgends ein Anzeichen für das Glück der befreiten Menschheit mit Händen zu greifen. Nur im Traum der Revolutionäre schimmert vage das Ziel. Ins Unbehauste greifend, vergessen sie ihre Kinder, lassen sie verkümmern in lieblosen staatlichen Heimen. Gleb Tschumalow (Stefan Schießleder), der Arbeiter, heimgekehrt aus den Torturen des Bürgerkriegs, hoffend auf Liebe und Heim, findet seine Frau nicht mehr, wie er sie verließ. Fasziniert von der Idee der Emanzipation, sucht Dascha, die Schöne, Zierliche (Stephanie Schönfeld), ihren Platz im Parteibüro. Umgewälzt sind alle gewohnten Verhältnisse.
Was sie vor sich haben, die hier mit glühender Energie ...
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Andreas Dresen hat sich früher einmal, in seinem höchst erfolgreichen Experimentalfilmer-Alltag, noch mit einer «halben Treppe» irgendwo in Ex-Ost-Deutschland an der Oder zufrieden gegeben. Jetzt macht er gerade Oper in Basel am Rhein, und da wird er unweigerlich zum monumentalistischen Gesamtkunstwerker. Klar hat ihn die halbe Treppe damals wie kein weiterer Film...
Zwei Filme im Panorama-Programm, wie sie unterschiedlicher nicht sein können: «Absolute Wilson», ein Glamour-Film über ein Glamour-Genie, und «Hamburger Lektionen», die spröde Dokumentation eines gesellschaftlichen Tatbestands, von dem man, außer dass er existiert, nichts weiß. Beide Filme wollen Informationen weitergeben und bedienen sich der jeweils angemessenen...
Die mit breiten Latten notdürftig verschalten Wände der Arbeitsagentur sind provisorisch geweißt. In der Mitte des Raums ragt ein Ding aus dem Boden, das eher einer stählernen Notrufsäule als einem Nummernautomaten gleicht. In der rechten Ecke steht einer dieser braunen, mannshohen Kaffeeautomaten, die dünnwandige Plastikbecher auswerfen. Ein Relikt aus Zeiten,...