Neue Wege

Statement von John Neumeier, Intendant des Hamburg Ballett

Ungefähr 1968 erlebte ich in Stuttgart bei einem Gastspiel des Folkwang Ballett das Werk einer jungen Choreografin, das mich unmittelbar begeisterte: «Im Wind der Zeit». Später erfuhr ich: Die Choreografin heißt Pina Bausch. In Amerika war ich mit sehr vielen modernen Choreografien in Berührung gekommen, vor allem durch die hervorragende Tänzerin Sybil Shearer, mit der ich selber gearbeitet hatte.

Obwohl das klassische Ballett seit Kriegsende große Fortschritte gemacht und Popularität erlangt hatte, erlebte ich in Stuttgart anfangs nur wenig überzeugenden Jazztanz und vermisste das Neue, das Moderne der Bewegungserfindung in den aktuellen Produktionen. Nicht zuletzt deshalb hat mich die Aufführung dieses Pina-Bausch-Stücks tief beeindruckt.

Später verfolgte ich, dass Pina Bausch ein eigenes «Tanztheater» in Wuppertal ins Leben gerufen hatte – zur gleichen Zeit, als ich nach Hamburg ging, um ein «Balletttheater» aufzubauen. Zunächst hatte ich in den aufregenden Anfangsjahren mit meiner neuen Compagnie wenig Gelegenheit, ihre künstlerische Entwicklung als Zuschauer weiterzuverfolgen. In den 70er-Jahren waren «Frühlingsopfer» und «Kontakthof» die nächsten Werke von ihr, die ich mir ...

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Tanz Jahrbuch 2023
Rubrik: Pina Bausch, Seite 86
von John Neumeier

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