Maikönigin
Im weißen Cashmere-Pullover und mit einer überdimensional großen Armbanduhr am Handgelenk sitzt John Cranko immer noch täglich rauchend im Stuttgarter Ballettstudio und scheint dabei Gedanken verloren in sich hineinzuhorchen, während er auf die Schrittfolgen der Tänzer*innen achtet. Zumindest sieht es so aus, auf dem riesigen Schwarz-Weiß-Foto, das im Proberaum des Stuttgarter Ballett hängt. Ich glaube, alle, die wir in diesem Studio geschwitzt und getanzt haben, hätten ihm gerne einmal persönlich «Hallo» gesagt oder wären mit ihm eine rauchen gegangen.
Das Foto trifft ihn gut, er wirkt cool und doch zugänglich, voller Tatendrang und mit einem Hauch Wahnsinn in den Augen. Man vergisst beim Hinsehen, wie dieser talentierte Mann einen mit seinen exquisiten Hebefiguren in Schwierigkeiten bringen konnte und wie man im Hochsommer auf seine exzentrischen Kostümideen fluchte.
In den Filmaufnahmen zu einer seiner Proben spricht er ganz charmant mit nasaler Stimme: «Du bist die Maikönigin.» Ich bin im Mai geboren und habe das immer wieder im Scherz auf mich bezogen. Als Mercutio in Crankos «Romeo und Julia» durfte ich ein paarmal den Bühnentod sterben. Das waren kleine Glücksmomente für ...
Weiterlesen mit dem digitalen Monats-Abo
Sie sind bereits Abonnent von tanz? Loggen Sie sich hier ein

- Alle tanz-Artikel online lesen
- Zugang zum ePaper
- Lesegenuss auf allen Endgeräten
- Zugang zum Onlinearchiv von tanz
Sie können alle Vorteile des Abos
sofort nutzen

Tanz Jahrbuch 2023
Rubrik: John Cranko, Seite 48
von Louis Stiens
tanz
Zeitschrift für Ballett, Tanz und Performance
Herausgeber Der Theaterverlag – Friedrich Berlin GmbH
Redaktion
Sofie Goblirsch, Falk Schreiber, Marc Staudacher, Dorion Weickmann (Leitung), Assistenz: Johanna Rau
Bürocenter am Lützowplatz, Karl-Heinrich-Ulrichs-Straße 24, 10785 Berlin, Tel. +49-(0)30-254495-20, Fax -24
redaktion@tanz-zeitschrift.de,...
Einmal mehr hat sich das Nederlands Dans Theater mit seinen Online-Aktivitäten aufs Siegertreppchen gepunktet: Aus Den Haag kommen immer wieder zeitgenössische Topchoreografien – in allerbester Streaming-Qualität. Mit bis zu sechs Kameras eingefangen, wird feinste Tanzkunst fürs internationale Publikum ausgestrahlt. So sieht klimaschonende Teilhabe im globalen...
«Liebe mich – und heute Nacht wird alles möglich sein!» Verspricht die queere Königin der Nacht und schickt ein dämonisches Lachen hinterher. Die Party der Abgründe beginnt. Marcos Moraus «Nachtträume» für das Ballett Zürich nehmen Gestalt an als cooler Totentanz in Stummfilm-Schwarz-Weiß zu schnellen Rhythmen und sanften Melodien. Gestochen scharfe Bilder rasen...