fleisch gottes

Kein Gebet ohne eine choreografierte Ordnung, keine religiöse Offenbarung ohne Ermahnungen an den Körper, damit wir die Macht der Religionen am eigenen Leib spüren.

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Christoph Schlingensief filmte in seinem letzten Blog einen nackten Krebs-Bestrahlungsraum und schnaufte ins Mikrofon, es handle sich um das Innere der Kaaba. So sehe die Zukunft der Weltreligionen aus. ­Alle hätten sich verzogen, und demnächst werde im Vatikan aufgeräumt. Glaubte er.

Die Sehnsucht, in einer höheren religiösen Ordnung aufzugehen und alles, was einen täglich umgibt und belastet, zu transzendieren, wird auch bei denen, die dem Tod nicht ins Auge sehen, längst immer größer. Der Anschluss an eine Religion geschieht nicht mehr schamhaft.

Sie wird immer öffentlicher herausposaunt. Das Projekt «Moderne» – die Verwirklichung jedes Einzelnen aus sich selbst heraus – wird dafür heruntergefahren zugunsten einer Formierung in der Gruppe. Es herrscht Ungenügen an den Sinngebungssystemen der bürgerlichen Gesellschaft. Selbstverwirklichung scheint nicht mehr genug. Der Einzelne möchte sich in seinem Schicksal gleich mit der ganzen Universalität verbunden wissen. Oder auch nur sentimental, klein und regressiv sein dürfen, um Trost zu finden. Im Gottesdienst etwa. Hier verwandle ich mich, ähnlich, wie ich mich auf einer Bühne verwandle. Ich lasse meinen Körper, meinen Beruf, meine ...

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Tanz November 2010
Rubrik: ideen, Seite 60
von Oliver Sturm

Vergriffen
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