Erna Ómarsdóttir
Die Welt verändert sich, unsere Wirklichkeit verändert sich – kleine überraschende Abweichungen von der Natur, und wir als bedeutungslose Organismen versuchen, darauf zu reagieren und beharrlich weiterzumachen. Unsere Welt wird nicht aufhören, uns Sachen vor die Füße zu schmeißen. Schon in der Vergangenheit hatten wir Seuchen, Kriege und alle möglichen Krisen, von denen die Mehrzahl entweder mittelbar oder unmittelbar von uns selbst produziert war. Die jüngste, das Coronavirus, hat von uns verlangt, dass wir voneinander Abstand halten und Kontakte sowie Berührungen vermeiden.
Während der Pandemie sollten meine künstlerische Partnerin Halla Ólafsdóttir und ich eigentlich mit der Iceland Dance Company an einer Neufassung von «Romeo und Julia» arbeiten, ursprünglich 2018 am Münchner Gärtnerplatztheater von uns choreografiert bzw. inszeniert. Neue Wege zu finden, dieses Werk während des Lockdowns und danach weiterzuentwickeln, war eine interessante Herausforderung: die berühmteste Liebesgeschichte aller Zeiten; Küsse, ohne zu küssen; Berührungen ohne zu berühren; Umarmungen aus der Entfernung. Und der Versuch, intensive, lang ausgedehnte, brutale Kampfszenen in einem Bühnenstück zu ...
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Tanz Jahrbuch 2020
Rubrik: Jahrbuch 2020, Seite 34
von Erna Ómarsdóttir
Überall sind Klagen zu vernehmen, dass in der Öffentlichkeit nicht genug über Kultur geredet wird. Dass der oberste Kassenwart nicht ein paar Milliarden auf den Tisch haut und behauptet: Ein Euro (Kultursubvention) bringt vier zurück. In dieser Simplizität stand es in der «FAZ», die ich immer noch für ein seriöses Blatt halte. Im Ernst: Haben Sie schon jemanden...
Wenn Prinzessin Aurora im Rosen-Adagio von «Dornröschen» in Balance steht, wenn sie die Hände ihrer vier Bewerber jeweils für einen kurzen Moment loslässt, um in erhabener Ruhe auch ihren zweiten Arm über dem Kopf zu runden, dann ist das, vielleicht weil es derart selten in Perfektion geschieht, ein Moment echter Magie. «Bras en couronne» heißt die Armhaltung und...
Die Zeit der Selbstisolation ist so gut wie vorbei, und wir können zurückblicken und analysieren, was uns da eigentlich widerfahren ist. In einem Wimpernschlag wurden die Pläne unserer auf Tage und Jahre hinaus durchgetakteten, hochtechnologisierten modernen Welt durchkreuzt. Prozesse wurden gestoppt. Wir fanden uns allein, zurückgeworfen auf unsere Gedanken, in...