Das Leben ist schön
An einem dieser endlos langen Abende ohne jede Theateraussicht tut sich plötzlich mitten im Lockdown ein fremdes Fenster auf. Paris liegt uns zu Füßen, mittendrin der Eiffelturm, rund herum glitzernde Dächer und prachtvolle Fassaden – eben die ganze Schönheit, die der ehrgeizige Baron Haussmann der französischen Kapitale im 19. Jahrhundert verpasst hat. Das Fenster, das diesen Ausblick gewährt, muss irgendwo auf der Anhöhe nahe Sacré-Cœur liegen. Doch ehe sich die Betrachterin recht orientieren kann, tritt von links eine junge Frau ins Monitorbild.
Sie schaut hinaus auf die Stadt, dreht sich um, streift eine Jacke über und öffnet die Wohnungstür – Stopp. Sie kann nicht hinaus. Eine gläserne Sperre scheint sich vor die Welt (sprich: das Treppenhaus) geschoben zu haben. Gerade so wie in Marlen Haushofers 1963 veröffentlichtem Roman, an den sich in diesem Frühjahr plötzlich alle Feuilletons erinnern: «Die Wand». Mit dem Unterschied, dass die Existenz anno 2020 auf ein paar Quadratmeter Wohnraum zusammenschmilzt.
Die Frau macht kehrt, lässt sich auf das Sofa fallen, greift ein ganz anderes Buch – Goliarda Sapienzas «L’arte della gioia» – blättert kurz darin, springt auf … und tanzt ...
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Tanz Jahrbuch 2020
Rubrik: Jahrbuch 2020, Seite 82
von Dorion Weickmann
Zum jetzigen Zeitpunkt, angesichts all der Veränderungen, die rund um den Globus im Gange sind, ist es ein schwieriges Unterfangen, sich ausschließlich Gedanken um die strukturellen Veränderungen unserer Künste zu machen. Theater und Tanz sind ja im besten Falle nur ein Spiegel unserer im Wandel begriffenen Welt.
In den letzten Monaten habe ich mit Staunen...
An einem Mittwochmorgen sitze ich um sieben Uhr mit meinem Laptop im Garten, umgeben von einem grünen Dschungel. Absolute Stille. Ein makellos blauer Himmel. Amseln und Rotkehlchen zwitschern. Zum ersten Mal seit 35 Jahren im Homeoffice erlebe ich als im Theater tätige Ehefrau und Mutter zweier Kinder fast einen ganzen Frühling vom frühen Morgen bis zum späten...
2007 saß ich in einem Flugzeug von Melbourne nach Paris. Wir hatten gerade «The Show Must Go On» gespielt. In den Zeitungen an Bord las ich einen Artikel, in dem es hieß, dass aufgrund der Klimaerwärmung jede*r seine CO2-Emissionen reduzieren müsse. Mit mir waren 20 Tänzer*innen im Flugzeug. Sofort kam mir die Idee, künftig nicht mehr mit der ganzen Kompanie zu...