Ben J. Riepe
Tanzen, singen und sprechen mit Mundschutz und sechs Metern Abstand – wie soll das gehen? Wenn wir dabei nicht ersticken oder zumindest kollabieren, wird uns natürlich schon irgendwas einfallen – denn wir sind ja immer kreativ. Oder? Aber Spaß oder Sinn macht das nicht. Wie etwas darstellen ohne Nähe, ohne Raum, ohne (Gesichts-)Ausdruck und dann auch noch vor fast leeren Sälen? Wie soll das gehen für eine Kunst, die von der Nähe, der Gemeinschaft, von Direktheit und unmittelbarer Reaktion lebt? Helge Schneider hat angekündigt, dass er in Rente gehe.
Vor Autos und Bildschirmen möchte er nicht auftreten. Seine Kunst lebe von der Begegnung, dem Live-Charakter. Ich kann ihn verstehen. Es sieht düster aus für die Darstellenden Künste. Wann also geht es wieder ganz zurück zur Normalität? Wird es überhaupt jemals zurückgehen zum Bekannten, Vertrauten, Status quo (ante)? Soll es das überhaupt? Oder ist es nicht gerade eine Chance, unser Gesamtkonstrukt der Kunstproduktion endlich neu zu denken? Endlich aufzuräumen?
Schauen wir globaler auf das ganze Geschehen, sind wir ja inmitten einer noch viel schlimmeren, schleichenden und alles verheerenden Krise: der Klimakrise. Nicht nur, dass ...
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Tanz Jahrbuch 2020
Rubrik: Zukunft der Kunst, Seite 96
von Ben J. Riepe
Ich war gerade auf meiner Terrasse und habe dort völlig die Zeit vergessen. Ja, die Zeit. Über das Phänomen der Zeit denken wir wohl jetzt gerade alle nach. Mit dem Diktat der Berührungslosigkeit hat diese letzte Zeit uns alle möglichen Ängste gebracht, Verunsicherung, tiefe Traurigkeit. Aber auch viele Tage der Isolation, um nachzudenken. Unter anderem darüber,...
Beschäftigt die GöteborgsOperans Danskompani Hellseher? Als ich im letzten Herbst durch das Werbematerial der Kompanie blätterte, stieß ich auf den Titel «Virus/Love. Contagious dance». Der Doppelabend wurde gegen Ende 2019 gezeigt, und beide Stücke kamen sehr gut an. Es scheint, als hätte die Kompanie ein ausnehmend glückliches Händchen für Themen: Fast alles, was...
In der sechsten Woche der wegen der Corona-Pandemie geschlossenen Theater streamt das Hamburg Ballett «Tod in Venedig»: 2001 von John Neumeier choreografiert nach der Novelle von Thomas Mann. Es geht um einen Choreografen im von der Cholera bedrohten Venedig, er muss Abstand halten zu anderen Menschen. Aber Abstand ist ein Ding der Unmöglichkeit in der Kunst. Weil...