Verrückt und verrucht
Bizarrer kann ein Titel kaum sein. Aber keine Sorge, er macht Sinn. «Crazy Girl Crazy» verknüpft drei Werke, die Barbara Hannigan besonders am Herzen liegen, wie sie im Booklet bekennt. Die «Mädchenzeit», so die kanadische Sängerin und Dirigentin, spiele dabei ebenso eine Rolle wie die Idee der Verrücktheit. «Nicht der Irrsinn, aber die Verrücktheit, verliebt zu sein, verrückt nach jemandem zu sein, von einem inneren Rhythmus verrückt gemacht zu werden.»
Ein Spiegelkabinett also.
In dem sich Luciano Berio, Alban Berg und George Gershwin begegnen, flüchtig, zugleich aber intensiv. Das verdankt sich vor allem der variablen Stimme dieser außergewöhnlich vielseitigen Künstlerin. Toll, wie sie durch Berios «Sequenza 3» lautmalert, wimmert, flüstert, flirrt, mit virtuoser Exaltiertheit, einem ebenso fliehenden wie fokussierten Atem und heftigen vokalen, zwischen Klang und Geräusch pendelnden Ausstößen.
Deutliche Profile auch in Bergs «Lulu-Suite», mit Hannigan als Solistin und am Pult des Ludwig Orchestra. Ihr rhythmisch wie dynamisch ausgefeiltes Dirigat führt zu rhetorisch extrem geschärften Klängen, zu konzis konturierter Linienführung; selbst winzigste Nuancen in Bergs «Trailer» ...
Weiterlesen mit dem digitalen Monats-Abo
Sie sind bereits Abonnent von Opernwelt? Loggen Sie sich hier ein

- Alle Opernwelt-Artikel online lesen
- Zugang zur Opernwelt-App und zum ePaper
- Lesegenuss auf allen Endgeräten
- Zugang zum Onlinearchiv von Opernwelt
Sie können alle Vorteile des Abos
sofort nutzen

Opernwelt März 2018
Rubrik: Hören, Sehen, Lesen, Seite 26
von Jürgen Otten
Ältere Plattenfreaks denken gerne an die magischen Momente, da der Diamant des Tonarms sich mit leisem Knirschen auf den Rand der Vinyl-Platte senkte und wenige Augenblicke später einen Klang beschwor, der runder, wärmer und farbiger schien als alles, was die Silberscheiben heute zu bieten vermögen. Kein Wunder, dass Vinyl wieder im Kommen scheint. Doch etablierte...
Vierzig Jahre? Eigentlich kein Alter. Und wenn, dann das beste, wie es so schön heißt. Lebt man allerdings in einer Zeit, in der Aufmerksamkeit die härteste Währung ist und der kulturelle Kapitalismus das (scheinbar) Attraktive bevorzugt, muss man sich schon strecken, schminken, mindestens Schauder erregen. Oder man leistet, im umkämpften urbanen Raum, etwas...
Die Vorgeschichte dieses Abends liegt neun Jahre zurück. Im Mai 2009 hatte am Aalto-Theater in Essen Richard Wagners «Walküre» Premiere – Dietrich W. Hilsdorfs zweite Wagner-Regie. Teil eines von vier Regisseuren übernommenen «Ring des Nibelungen». Das schmeckte natürlich nach einem Wiederaufguss des «Stuttgarter Modells» von 2002/03, der in Essen (mit Ausnahme von...