Vermintes Terrain
In der Musik das Leben der Tschechen!» Bedřich Smetanas Motto markiert schlaglichthaft die Verbindung von Nation und Tonkunst. So schön dies auch klingen mag, so unvermeidlich führt die Formel auch auf vermintes Terrain: das der «Völkerpsychologie» – fatal, weil hier Halbfalsches und Halbwahres ineinandergreifen, wobei gerade Letzteres oft sogar gefährlicher ist. Erst im 19. Jahrhundert wurden Nationen mit unverlierbaren Eigenschaften, sprich Vorurteilen assoziiert. Der und das «Deutsche» sollten fundamentale Identifikation stiften, als Abgrenzung vom «Anderen».
Ausgerechnet in der menschheitsverbindenden Musik florierten die gegensätzlichen Zuordnungen. Italien, Frankreich, Russland avancierten zu «Musiknationen», komplex kodiert durch Institutionen der Hochkultur, prägende Komponisten und vitale Folklorepflege. Die Mischung, auch Eigenständigkeit, sah von Land zu Land anders aus. Holland und England etwa galten nicht unbedingt als Dorado autochthoner Komponisten.
Ähnliches kann man von der Schweiz sagen. Die Gründe hierfür sind mannigfaltig: Es fehlten feudale Residenzen, höfische Kunstrivalität, auch der zentralistische Sog einer mächtigen Hauptstadt sowie eine einheitlich ...
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Opernwelt Mai 2019
Rubrik: Magazin, Seite 72
von Gerhard R. Koch
Unheimliche Dinge vernahm man über den Beginn des neuen Werks. Ein ohrenbetäubendes Dröhnen soll bei der Premiere die Plüschbestuhlung im ehrwürdigen Brüsseler Opernhaus zum Zittern gebracht und die Ankunft des Raumschiffs apokalyptisch begleitet haben. Bei der fünften Vorstellung wollte man dem Publikum dann offenbar nicht mehr die volle Dosis des akustischen...
Dass im Musiktheater Alt auf Neu trifft, ist wahrlich keine neue Erfindung. Ob zuletzt in Saarbrücken, bei einer Medea-Symbiose von Werken Luigi Cherubinis und Iannis Xenakis’ (siehe OW 3/2019), oder in Brüssel mit der Wiedererweckung von Frankensteins Monster durch den amerikanischen Komponisten Mark Grey (siehe Seite 37) – überall begegnen uns auf den Bühnen...
Ganz verschwunden war sie nie, die abgöttische Verehrung großer Sängerinnen und Sänger. Von der Hysterie, die im 18. Jahrhundert Auftritte des Kastraten Carlo Broschi (Farinelli) oder der Primadonna Francesca Cuzzoni begleitete, bis zum Tenorissimo-Taumel um Enrico Caruso oder zur Assoluta-Verklärung der Callas im 20. Jahrhundert reicht diese frenetische...
