Verbrechen und Strafe
Sechzehn Heilige, eine einzige Hure: Schon allein zahlenmäßig geht die Partie zwischen Wiener Staatsoper und MusikTheater an der Wien (in Kooperation mit den Wiener Festwochen) eindeutig zugunsten der standhaften christlichen Märtyrerinnen im Haus am Ring aus.
Aber verzichten wir auf den alten, aus Misogynie konstruierten Gegensatz und bleiben bei den Fakten: Die historischen Karmelitinnen von Compiègne, die 1794 durch die Guillotine starben, wurden bislang ja «nur» seliggesprochen – und die fiktive Lulu ist mit dem freilich ebenso zu überdenkenden Begriff der Femme fatale zumindest wesentlich besser beschrieben. Ungetrübt himmlisch im übertragenen Sinne gelang allerdings die Staatsopernpremiere von Francis Poulencs «Dialogues des Carmélites» keineswegs – während Alban Bergs «Lulu» im Museumsquartier vom Opernstandpunkt durchaus fatale Züge offenbarte.
Nach fast 60 Jahren holte also die Staatsoper Poulencs «Dialogues» ins Repertoire zurück, jetzt natürlich auf Französisch. Von 1959 bis 1964 hatten in der Regie von Margarete Wallmann, deren «Tosca»-Inszenierung von 1958 bekanntlich nach wie vor gespielt wird, Sängerinnen wie Irmgard Seefried, Elisabeth Höngen, Christel Goltz, Hilde ...
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Opernwelt Juli 2023
Rubrik: Im Focus, Seite 26
von Walter Weidringer
Als Frau auf die Welt zu kommen sei «die größte Strafe», sagt Amelia in Federico García Lorcas Schauspiel «Bernarda Albas Haus». Es ist die letzte unter den großen Frauentragödien des 1936 von den Faschisten ermordeten spanischen Dichters, die sämtlich von der Unterdrückung weiblicher Sexualität, von der verwehrten Erfüllung weiblicher Liebe in einer archaischen...
Siebzig Minuten lang wird auf der Bühne geknüpft und geknotet. Meterlange Stoffbahnen fallen aus dem Schnürboden herab, von rasselnden Ketten gehalten. Die Darsteller weben und wickeln sie zu einem flammend roten Netzwerk, das die gesamte Bühne in schrägen, asymmetrischen Linien überzieht. Bei der szenischen Uraufführung der Vokalsymphonie «The Prison» von Ethel...
Eigentlich war, sieht man von den Wolken ab, die mürrisch über dem Festspielhaus kreisten und einen missmutigen Blick auf Arno Brekers frisch eingeweihte Wagner-Büste warfen, vieles wie immer an diesem 16. August 1955 in Bayreuth. Auf dem Programm stand Wieland Wagners «Parsifal»-Inszenierung, die ihre Premiere vier Jahre zuvor, bei den ersten Bayreuther...