Träum weiter Mensch!
Das Licht geht aus, wie von Geisterhand setzen sich die Tasten des Flügels in Bewegung. In der Mitte des Raumes beginnt sich die kreisförmige Zuschauertribüne um die eigene Achse zu drehen. Langsam fährt das verblüffte Publikum an Podesten vorbei, auf denen mehrere Sängerinnen und Sänger in blau leuchtenden Perücken hinter halbdurchsichtigen Gaze-Schleiern sitzen – so die Ausgangssituation in Oscar Strasnoys Oper «Robinson» in der Regie von Anna Bergmann im alten Orchesterprobensaal der Staatsoper Berlin.
Ein Lageplan, der am Eingang verteilt wird, erklärt, was es mit den geheimnisvollen Gestalten auf sich hat. Sie heißen «Die Jugend», «Die Abweichung», «Der aus der Welt Gefallene», «Das Alter», «Die Vermittlung» und «Die Zukunft». Ein bisschen erinnert das an die Allegorien der Barockoper, wie man sie beispielsweise aus «L’incoronazione di Poppea» oder «Il trionfo del tempo e del disinganno» kennt. Doch im Vergleich zu den gewitzten Halbgöttern, die bei Monteverdi und Händel selbstbewusst die Fäden ziehen, sind die Charaktere bei Strasnoy eher traurige Figuren: Die Jugend (Johannes Wieners) entflieht mit 3D-Brille und Spielkonsole in virtuelle Welten («Liebes Netz, ich liebe ...
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Opernwelt April 2023
Rubrik: Magazin, Seite 77
von Anna Schors
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