Lange nicht gesehen

Moskau besinnt sich auf Raritäten und holt «Lohengrin» in die Gegenwart

Opernwelt - Logo

Es muss nicht immer der Kanon sein. Auch in den Moskauer Opernhäusern bemüht man sich um die Werke, die man im Mainstream vergeblich sucht. Gleich drei Produktionen legten davon Zeugnis ab.
Am Musiktheater Stanislawski und Nemirowitsch-Dantschenko (MTSNM) stand «Die Mainacht» von Rimsky-Korsakow auf dem Spielplan. Nicht gerade ein Meisterwerk, aber ein Publikumsrenner mit saftigen Genre­szenen und mystischen Spielereien. Stanislawski führte die Oper 1928 in seinem Studiotheater auf, 1986 wurde sie wieder ausgegraben.

Als Dorfältes­ter stand damals – wie heute – Leonid Simnenko auf der Bühne, der die Partie auch diesmal mit überzeugender Verve sang. Die Inszenierung von Ale­xander Titel zeichnet sich zwar nicht durch Einfallsreichtum aus, hat aber eine gewisse Eleganz. Traditionelle ukrainische Folklore verbindet sich mit Symbolen und Figuren des heutigen Lebens. So erinnert die Schwägerin des Dorfältesten mit ihrem voluminösen, um den Kopf gewickelten Zopf unverkennbar an Julia Timoschenko, die Premierministerin der Ukraine. Die Ouvertüre ist mit geschickt gereihten Propagandabildern aus Chroniken der Stalin-Ära unterlegt, die von der Leistungsfähigkeit ukra­i­nischer Kol­chosen ...

Weiterlesen mit dem digitalen Monats-Abo

Sie sind bereits Abonnent von Opernwelt? Loggen Sie sich hier ein
  • Alle Opernwelt-Artikel online lesen
  • Zugang zur Opernwelt-App und zum ePaper
  • Lesegenuss auf allen Endgeräten
  • Zugang zum Onlinearchiv von Opernwelt

Sie können alle Vorteile des Abos
sofort nutzen

Digital-Abo testen

Opernwelt Mai 2008
Rubrik: Magazin, Seite 36
von Alexej Parin

Vergriffen
Weitere Beiträge
Nicht bloß an Verkaufszahlen denken

Als Konsumgut, das dem Publikum durch Momente etwas wert sei, die der Sache gar nicht wesentlich wären, werde es zu einem anderen als es selbst, hatte Adorno vor mehr als vierzig Jahren über das Phänomen Oper formuliert. Auf trivialer Ebene entspricht diesem Statement ein Cartoon, der 2005 anlässlich des Hype um Anna Netrebko bei der «Traviata» in Salzburg in einer...

Exzellente Rekonstruktionsarbeit

Dass Richard Strauss und Hugo von Hofmannsthal die im frühen 20. Jahrhundert noch junge Filmkunst sonderlich ernst genommen hätten, wird man schwerlich behaupten können. Ihr Inte­resse an dem neuen Medium war vor ­allem geschäftlicher Natur. Während sie die eigenen Werke selbstverständlich als Perlen der bürgerlichen Hochkultur begriffen, erblickten sie im Kino vor...

Vexierbilder der Gewalt

Der erste Schock stellt sich ein, wenn der Vorhang hochgeht. Man fühlt sich in ein Filmstudio oder ins Laientheater versetzt: links das Portal einer Kirche – die Handlung spielt 1414 zur Zeit des Kons­tanzer Konzils –, rechts das schmu­cke Fachwerkhaus des jüdischen Goldschmieds Eléazar, dazwischen ein Platz, der den Blick auf einen Wehrgang freigibt. Ein...