Kulturverdächtig
Zwei Fragen: Darf man das? Und die weit entscheidendere: Geht es auf? Ein paar Operationen en miniature sind dafür notwendig, die Eliminierung weiblicher Wortformen, vor allem die einer ganzen Figur. Arturo, Pflichtgatte von Lucia di Lammermoor und ohnehin kaum mehr als tenoraler Stichwortgeber, heißt jetzt Emilia und wird gesungen von der Mezzosopranistin Sara Šetar. Die Hauptperson bleibt, wurde jedoch verwandelt. Tragischer Held am Staatstheater Nürnberg ist nun Luca, ein homosexueller Twen, den Familie und Freunde zur Hetero-Hochzeit zwingen wollen.
Doch der hängt lieber mit queeren Freunden im Jugendzimmer ab und leistet sich mit Edgardo einen gleichaltrigen Lover.
Regisseurin Ilaria Lanzino hat Donizettis Oper, das ist das kleine große Wunder dieser Produktion, auf links gekrempelt, aber in keinem Takt verraten. Die Kraftfelder und Konstellationen zwischen verbotener Liebe und borniertem Umfeld, zwischen Neigung und Pflicht bleiben nicht nur vollumfänglich erhalten: Es ist verblüffend und schlüssig, wie hier, fernab von jeder billigen Christopher-Street-Day-Kopie oder bemühter Gender-Debatten, der Belcanto ins Heute geholt wird. Schon in der Entstehungszeit begriff man ja ...
Weiterlesen mit dem digitalen Monats-Abo
Sie sind bereits Abonnent von Opernwelt? Loggen Sie sich hier ein
- Alle Opernwelt-Artikel online lesen
- Zugang zur Opernwelt-App und zum ePaper
- Lesegenuss auf allen Endgeräten
- Zugang zum Onlinearchiv von Opernwelt
Sie können alle Vorteile des Abos
sofort nutzen
Opernwelt Januar 2024
Rubrik: Panorama, Seite 42
von Markus Thiel
Über Wolfgang Rihm zu schreiben – das haben die meisten der Publikationen, die sich darin versuchten, eindrücklich bewiesen –, ist beinahe ein Ding der Unmöglichkeit. Einmal des gewaltigen Œuvres wegen, das einer der bedeutendsten Komponisten der Gegenwart vorgelegt hat (rund 600 Werke umfasst die Liste), aber mehr noch, weil sich Rihm selbst in seinen Schriften...
Manchmal wäre es besser, kein Radio zu haben. Das wird sich auch Doktor Pietro Bartolo denken, der wuselige Chef eines Genlabors, das munter mit Mäusen hantiert, verbreitet doch das altehrwürdige Gerät mitten in seine emsige Tätigkeit hinein detestable Nachrichten. Des Doktors hehre Hoffnung, für seine (illlegalen?) Forschungen den Nobelpreis zu erhalten,...
Der gestürzte und wiedererhöhte Nebucadnezar, König zu Babylon, unter dem großen Propheten Daniel» – so lautet der originale Titel von Reinhard Keisers Oper aus dem Jahr 1704, mit der das Theater Heidelberg nun sein winterliches Barockfest im Schwetzinger Rokokotheater eröffnete. Wer ein religionspolitisches Lehrstück befürchtete, sah sich angenehm enttäuscht. Zwar...
