Ironischer Realismus
In «Andrea Chénier», seiner erfolgreichsten Oper, widmete sich Umberto Giordano wahrlich einem würdigen Gegenstand: Ein Dichter und politischer Aktivist gerät zwischen die Mahlsteine des Robespierre’schen Terrors und wird schließlich guillotiniert. Nicht nur die musikalisch einprägsame Faktur des Werkes – insbesondere der Titelpartie – und Illicas starkes Libretto lohnen den Besuch in Leeds: Die gut besetzte Neuproduktion der Opera North überzeugt auch dank einer intelligenten Inszenierung.
Joanna Parkers Ausstattung dient der Erzählung, ohne bloß Staffage zu sein.
Zunächst in dunklem, semi-modernem Stil gehalten, evozieren Bühne und Kostüme später in den Szenen um Intrige und Gerichtshof einen historischen Realismus. Häufig nutzt die Regisseurin Annabel Arden die Ausstattung als ironisch-kritischen Kommentar zu der romantischen Fabel: Die Gräfin de Coigny, die im ersten Akt ihren Diener Gérard feuert, weil dieser auf ihrem Fest einen Aufstand der Armen inszeniert, könnte ohne Weiteres einem Catwalk der Achtzigerjahre entsprungen sein, während Carlo Gérard und sein geschundener Vater eher an Gestalten aus der ITV-Serie «Downton Abbey» erinnern.
Die geradezu wagnerianische Fülle an ...
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Opernwelt März 2016
Rubrik: Panorama, Seite 46
von Tom Sutcliffe
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JUBILARE
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