Im Umbruch
So gehört sich’s. Der Tenor unserer Tage singt nicht mehr aus Notenblättern oder Klavierauszügen, sondern er hat sie in seinem Tablet gespeichert. Er blättert nicht mehr, sondern er klickt. Er braucht sein Gepäck nicht unnötig zu belasten. Wenn er aufs Podium geht, liegt kein Papier auf seinem Notenpult, sondern ein kleiner, flacher Lesebildschirm. Michael Spyres, einer der besten Tenöre unserer Tage, hat das jetzt im Königlichen Kurtheater von Wildbad vorgemacht.
Das Besondere daran war aber weniger das Tablet an sich als die Tatsache, dass es um besondere Noten ging: solche, die nur mühsam in originalen Fassungen zu finden, nur in raren Abschriften vorhanden, nur in transnationalen Aktionen zu sichten sind. Michael Spyres vereinte in seinem Konzert schickste digitale Technik und verstaubteste Archivecken. Auber, Mercadante und Pacini: problemlos abrufbar. Ein junger Meister belebte zumeist vergessene Werke alter Meister. Er sang damit eine Hommage an einen der wichtigsten Tenöre, die es je gab: Adolphe Nourrit (1802-1839).
Man muss fairerweise dazusagen, wem die Ideen zur Programmgestaltung und die Beschaffung der Raritäten des Rossini Festivals in Wildbad zu verdanken sind: ...
Weiterlesen mit dem digitalen Monats-Abo
Sie sind bereits Abonnent von Opernwelt? Loggen Sie sich hier ein
- Alle Opernwelt-Artikel online lesen
- Zugang zur Opernwelt-App und zum ePaper
- Lesegenuss auf allen Endgeräten
- Zugang zum Onlinearchiv von Opernwelt
Sie können alle Vorteile des Abos
sofort nutzen
Opernwelt September/Oktober 2014
Rubrik: Im Focus, Seite 30
von Stephan Mösch
Herr Villazón, Sie singen viel, aber mittlerweile inszenieren auch Sie fast so viel wie hauptberufliche Regisseure. Wann haben Sie eigentlich die Zeit gefunden, das Buch zu schreiben? Zwischen zwei und vier Uhr morgens?
Zu Beginn des Prozesses nehme ich, wenn immer ich kann, hie und da ein, zwei Stunden Zeit zum Schreiben, später sind es oft ganze Tage am Stück. Ich...
Eine beachtliche Schar von Komponisten vertonte im Laufe des 18. Jahrhunderts ein Libretto von Agostino Piovene, das bis heute unter zwei Titeln verbreitet ist: «Bajazet» und «Tamerlano». Die bekannteren Namen – Händel, Leo, Vivaldi, Scarlatti, Jommelli – seien hier nur stellvertretend genannt. Der Erste aber, der die begehrte Vorlage in Töne setzte, war Francesco...
Dass Christian Gerhaher auf dem Cover seiner neuen CD «Nachtviolen» unten am rechten Rand erscheint, suchend, nachdenklich, scheu, als wolle er sagen, er sei eigentlich gar nicht da, könnte man ihm auch als Attitüde auslegen. Das aber wäre ein eklatantes Missverständnis. Denn die (kreativen) Skrupel des Baritons, der an sich längst ein Superstar der Musikszene ist,...