Herzzerreißend irre
Sommer 1809: Ganz Europa ist von Napoleon besetzt. Französische Truppen stehen in Dresden und Warschau, Triest und Hamburg. Marionetten aus Bonapartes Verwandtschaft regieren in Madrid, Kassel und Neapel. Ganz Europa? Nein, in Parma hält ein Graf Scotti Hof, als sei das Ancien Régime nie untergegangen. Bei dem in der Heimat weilenden Ferdinando Paer bestellt er eine neue Oper für sein Privattheater am Stadtrand.
Der gefeierte Komponist muss freilich noch vor der Uraufführung im Oktober 1809 seinen «Fronturlaub» abbrechen und seinem neuen Dienstherrn – niemand anderem als Napoleon höchstselbst – hinterhereilen.
Diese «Agnese» hat Musikgeschichte geschrieben. In den folgenden Jahrzehnten wurde sie von Santiago de Chile bis Berlin, von Lissabon bis Moskau gespielt. Als Giuditta Pasta 1824 die Titelrolle übernahm, komponierte ihr Paer neue (in Turin teilweise zu hörende) Soli in die Kehle. Die erste szenische Aufführung seit der Mitte des 19. Jahrhunderts macht diesen Erfolg nachvollziehbar. Noch vor Rossinis frühen Triumphen schlägt Paer eine Brücke zur frenetischen Romantik eines Bellini. Die Oper beginnt mit einem «schreienden» Regelverstoß: Zu den peitschenden Klängen eines ...
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Opernwelt Mai 2019
Rubrik: Panorama, Seite 49
von Anselm Gerhard
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