Hände hoch
Bedürfen Johann Sebastian Bachs Passionsmusiken szenischer Vergegenwärtigung? Ist ihre Botschaft, ihre Tiefe für die meisten Zuhörer heute nur noch nachzuvollziehen, wenn die Leidensgeschichte Jesu bebildert wird? Ohne visuelle Reize, ohne Aktion, so scheint es, sind die großen Oratorien des fünften Evangelisten kaum mehr an ein Publikum zu vermitteln, das den Bedeutungsfaden des Karfreitagsgeschehens weitgehend verloren hat.
Immer wieder haben sich Choreografen und Regisseure an Bachs geistlichen Hauptwerken abgearbeitet – ohne ihrer musikdramatischen Substanz Entscheidendes hinzuzufügen. Und doch ist das Bedürfnis weit verbreitet, die Sache mit dem Gottessohn auf der Bühne anzuschauen, als humane Tragödie, mit dem «ecce homo»-Ruf des Pontius Pilatus als Angelpunkt.
Auch Peter Sellars, nach einer erfolgreichen Einrichtung der «Matthäus-Passion» vor vier Jahren erneut bei den Berliner Philharmonikern aktiv, weiß, dass einer entzauberten Lebenswelt religiöse Narrative, zumal in kompositorisch verdichteter Form, fremd geworden sind. Seine Inszenierung der «Johannespassion» in der Philharmonie zielt freilich nicht auf Illustration des Handlungsbogens, sondern auf eine aus Gesten und ...
Weiterlesen mit dem digitalen Monats-Abo
Sie sind bereits Abonnent von Opernwelt? Loggen Sie sich hier ein
- Alle Opernwelt-Artikel online lesen
- Zugang zur Opernwelt-App und zum ePaper
- Lesegenuss auf allen Endgeräten
- Zugang zum Onlinearchiv von Opernwelt
Sie können alle Vorteile des Abos
sofort nutzen
Opernwelt April 2014
Rubrik: Magazin, Seite 69
von Albrech Thiemann
Der Test: Spukt die Musik des anderen, Berühmteren weiterhin durch den Kopf? Sie tut es nicht. Schon nach wenigen Takten, auch wenn Narraboth (hier «le jeune Syrien») auf Französisch die schöne Prinzessin besingt, behauptet sich die Partitur von Antoine Mariotte als Eigenwert. Weil sie eben so anders ist: kein verführerisches Parfüm à la Richard Strauss, kein...
Es war der Abend des Orchesters. Kaum je hat man die Philharmoniker der Hansestadt in einer derart bestechenden Verfassung gehört. Diese fein abschattierten dynamischen Nuancen, diese lebendige Artikulation, diese plastisch ausgeformten Spannungsbögen, diese in jedem Moment überzeugenden Tempi von einem oft atemraubenden, dabei mit äußerster Präzision ausgeführten...
Dass Oper in Film und Fernsehen oft wie eine verarmte Adelige wirkt, die sich einem Parvenü anbietet, mag arrogant klingen – ganz falsch ist die Behauptung nicht. Denn das Atmosphärische des echten «Live» fehlt gerade bei einer Oper wie «Parsifal» – das wird selbst Peter Gelb zugeben müssen, der betriebsame Generalmanager der Met, der mit seinen Live-Übertragungen...
