Gesamtkunstwerk
Der Prophet gilt bekanntlich wenig im eigenen Land. Gemünzt auf das Verhältnis Richard Wagners zu seiner Geburtsstadt mag das überspitzt klingen. Und doch berührt es einen wunden Punkt: In Leipzig, der Stadt Bachs und Mendelssohns, deren Musik in jährlich ausgerichteten Festivals gefeiert wird, hatte man mit dem Erbe des weltweit berühmtesten dort geborenen Komponisten seit jeher seine liebe Last.
Das beginnt mit dem Umstand, dass nur noch eine schmucklose Gedenktafel an den Standort des 1886 abgerissenen Geburtshauses erinnert, und setzt sich fort bis zu einem im Jubiläumsjahr 2013 errichteten, in Ästhetik und Ausdrucksgehalt fragwürdigen Denkmal, welches, so die Intention, die Ambivalenz in Wagners Wesen, Werk und Nachwirken zur Darstellung bringen soll. Immerhin eine multimedial hübsch aufbereitete Dauerausstellung in der alten Nikolaischule, die der junge Richard einst als verkrachter Pennäler verließ, gibt Auskunft über die Leipziger Anfänge.
Ganz anders die Situation im Festival-Sommer 2022: «Drei Wochen Unendlichkeit» versprach der Slogan der vom 20. Juni bis zum 14. Juli dauernden Festtage, was Leipzig zeitweilig zum Mittelpunkt der Wagner-Welt machte. Alle 13 vollendeten ...
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Opernwelt September/Oktober 2022
Rubrik: Im Focus, Seite 30
von Werner Kopfmüller
Fangen wir mit dem Nachspiel an. Und das bedeutet einen Blick zurück. Es war Heiner Müller, der «Tristan» 1993 in Bayreuth aus postdramatischer Distanz betrachtet hat. Ihm gelang, woran nun Roland Schwab schönheitstrunken vorbeimarschiert: Zustände statt Umstände zu inszenieren. Zum Widerstand und Wohle der Musik. Dabei fiel ihm auf, dass sein «Quartett» nach...
Zum Beispiel der kurze Blick in den Spiegel, ganz links hängt der. «Einen Unseligen labtest du», singt Siegmund und betrachtet sich betrübt, aber ohne jedes Selbstmitleid. Oder zuvor das zweimalige Reichen des Wasserglases, bevor Sieglinde noch eine Flasche Met bringt, vom Bruder anerkennend gewürdigt (die drei Gesten stehen exakt so in der Partitur). Oder der...
Es gibt dieses Bild. Ein Ölgemälde, gemalt hat es Paul von Joukowsky, ein Freund der Familie, im Jahre 1880. Es zeigt die Porträtierte, vor historisierend anmutender Samtportiere, in einem kostbaren Maharadscha-Gewand, als würdevolle Fürstin. Die Haltung ist stolz, der Blick offen, klar, direkt, wenngleich: eine Spur festgehalten, wie der strenge Mittelscheitel,...