Endspiel
Selbstverständlich gibt es auch in dieser «Aida» eine Pyramide. Nur glüht nicht der güldene Sandstein. Es dominiert bühnenhohes Schwarzgrau. Ein Ascheberg, Ergebnis des Dauerrieselns durch die Löcher einer zerschossenen Decke. Ein monumentales Bild, das von Regisseur Damiano Michieletto bewusst nicht mit Action gefüllt wird. Hier herrscht Leere, Ausweglosigkeit, eine stille Verzweiflung aller Beteiligten, die einer ungewissen Zukunft entgegenbrüten, während draußen ein heutiger, nicht näher definierter Krieg das Land zermürbt und diese riesige Turnhalle fast zerstört hat.
Es ist die letzte Zuflucht für Ägyptens Volk: Das ist nicht mehr Verdi, eher Beckett.
Mit ihrer Anti-Klischee-Arbeit für die Bayerische Staatsoper bewegen sich Michieletto, Bühnenbildner Paolo Fantin und Carla Teti, die Alltagsklamotten und Uniformgrau beigesteuert hat, ganz im Common Sense für «Aida». Dieser Krieg, so suggerieren die Bilder, kennt keine Gewinner. Das Problem: Die Message teilt sich sehr schnell mit, der Abend kreist irgendwann um sich selbst – zumal Michieletto sein Konzept an Nebenfiguren, vor allem an Statisterie und Chor delegiert. Was die Katastrophe tatsächlich mit den Hauptfiguren macht ...
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Opernwelt Juli 2023
Rubrik: Panorama, Seite 43
von Markus Thiel
Vor vielen Monaten fand eine italienische Musikwissenschaftlerin eine noch unbekannte Oper von Gaetano Donizetti: «Dalinda» – in den ersten zwei Akten quasi deckungsgleich mit Donizettis «Lucrezia Borgia» (1833). Der Rest bis dato: verloren, ungehört. Die verspätete Uraufführung der «Dalinda» Mitte Mai im Konzerthaus Berlin: eine Sensation.
Statt mit der (per...
Der Händel Schorsch, der schrieb ein Stück voll Wirren.
Abstrakt gesagt geht’s hier um einen Thron,
Um Liebe auch, um Kopf und Herz von Irren,
Um Hass und Macht und Tod, Pompeos Sohn.
King Cäsar reist zum Orient und trifft dort
Ne alte Heiße – und merkt bald: «Ich bin
Verliebt in sie, Cleopatra, mein Kraftort,
Du Eselsmilchbad-Influencerin!»
Die Cleo will sehr gern...
Vergessen kann fatal sein. Wagners Siegfried etwa kostet vom Vergessenstrunk, den ihm Gutrune reicht – damit nimmt die Katastrophe in der «Götterdämmerung» unaufhaltsam ihren Lauf. Erst im Todeskampf wird er sich wieder erinnern, zu spät. Die spannende Frage, wohin ein Gedanke geht, wenn etwas vergessen wird – sie scheint nur Sigmund Freud interessiert zu haben....