Ein merkwürdiger Fall
Die Libretti der berühmtesten Opern Giacomo Puccinis werden häufig unterschätzt. Dabei sind die Szenen präzise, und die Musik folgt jeder Nuance. Etwa wenn Toscas Besänftigung wieder in die nächste Eifersuchtsattacke umkippt; wenn Mario Cavaradossi nicht ganz bei der Sache ist, sondern eine Spur abgelenkt; wenn Scarpia es sich in seiner abgrundtiefen Schlechtigkeit so richtig gemütlich macht.
Was kann die Regie da noch tun, außer sich an diese dramaturgische Perfektion anzuschmiegen?
Merkwürdiger Fall: Obwohl Regiedebütant José Cortés im Programmheft des Staatstheaters Wiesbaden glaubhaft gerade «Tosca» als seine Lieblingsoper bezeichnet und sich zu Maria Callas in dieser Partie bekennt, scheint er der Intensität des Geschehens zu misstrauen. Er will es anreichern und schickt zunächst einmal Staffage auf die Bühne wie ein Landschaftsmaler Schäfchen, damit die Szenerie lebendiger wird. Das ist nur die eine Seite der Merkwürdigkeit. Die andere, dass seine Inszenierung zugleich attraktiv und konventionell aussieht. Die Bühne von Manuel La Casta bietet Kirchensäulen und viel Nebel, es gibt echte und projizierte Flammen, klassische Kostüme (Linda Rodenheber). Die Tücke des Misslingens ...
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Opernwelt Mai 2025
Rubrik: Panorama, Seite 57
von Judith von Sternburg
Leere Quinten, das wissen wir aus dem letzten Lied von Schuberts «Winterreise», verheißen wenig Gutes. Unheil naht, nicht selten der Tod. So ist es auch zu Beginn des vierten Akts von Verdis «Otello». Desdemona schleicht, von Emilias Frage «Era più calmo?» nur vage berührt, wie somnambul durch ihr Schlafgemach, und kaum hat das Englischhorn seinen elegischen Gesang...
Mangelnde Aktualität: Das war einer der stärksten Vorwürfe, denen sich die Gattung Oper in den vergangenen Jahrzehnten ausgesetzt sah. Als nach dem Zweiten Weltkrieg die Existenz des Musiktheaters als kultureller Selbstzweck immer mehr in Frage gestellt wurde, ging es plötzlich darum, was die Oper denn überhaupt «bringe»: was genau ihre Stoffe vermitteln könnten,...
Nein, die blaue Libelle fliegt hier nirgendwo hin. Wie auch, wo sie keine Flügel hat und weit und breit kein Gewässer zu sehen ist, stattdessen aber eine schäbige, mit Kritzeleien beschmierte Häuserfront im Dämmerlicht. An der lehnt, allein, einsam und nervös rauchend, die hinzuerfundene Mutter der Füchsin. Augenblicklich wird klar, die «Libelle» (Alessia Aurora...
