Der Welt entrückt
Für Richard Wagner war die Sache einfach: «Wahn, Wahn, überall Wahn.» Beim Blick auf die Welt möchte man ihm beinahe zustimmen. Doch ganz so leicht ist es eben letztlich nicht. Es gibt Unterschiede. Feine Unterschiede. Sie betreffen die Wahrnehmung dessen, was mit dem Topos «Welt» beschrieben ist. Diese Welt ist ja nicht nur die Welt für alle und niemanden (wie Heidegger sagt), sie ist zugleich so unpersönlich, dass es sehr darauf ankommt, wie man sie anschaut.
Während das sogenannte «normale» Subjekt sich den Konta -minationen durch rationale Entscheidungen zumindest in Teilen entziehen kann, sieht sich im psychotischen Wahn die Spannung zwischen den partikulären und den allgemeinen Bedeutungen aufgehoben; an die Stelle der gewöhnlichen tritt die symbolische Ordnung. Die Realität, wie sie erscheint, wird von denjenigen, die diese Spannung nicht mehr spüren, verworfen, an ihre Stelle tritt eine neue Realität.
Die Welt der Oper ist voll von diesen Individuen; und da noch im 19. Jahrhundert 99 Prozent der Werke von Männern geschrieben wurden, darf man sich nicht wundern, dass die meisten dieser «verrückten» Individuen weiblich waren. Was gab es Geeigneteres, um die erhoffte Wirkung ...
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Opernwelt Juni 2024
Rubrik: CD, DVD, Buch, Seite 35
von Virginie Germstein
Ein paar Zitate des Meisters aus Stratford kurven zu Beginn durchs Video. Wenn die Ouvertüre dann heißläuft, ist dort nur noch groß zu lesen: «Bla, bla, bla.» Keine an Shakespeare adressierte Blasphemie ist das, gemeint sind mutmaßlich Librettist Salomon Hermann Mosenthal und, als Mitschuldiger, der Komponist des Werks. «Die lustigen Weiber von Windsor», so sehr...
Im Anfang war das Wort. Nicht jedoch das geschriebene. Im Anfang war der Klang, das gesprochene, gesungene Wort, die menschliche Stimme, aus der heraus ein ganzer Kosmos an Mitteilungsformen erwachsen kann – im günstigsten Fall. Die Stimme als Faszinosum, als Mittel, um höchste kulturelle Leistungen zu erbringen (man denke nur an die Opern dieser Welt), aber auch...
Eine gute Stunde Glück? Kein Problem. Man greife zu diesem Album, schiebe es in den CD-Player und lausche selige 66 Minuten, dann besteht kein Zweifel mehr: Das Glück ist nicht immer anderswo und ganz einfach zu erheischen. Jedenfalls dann, wenn eine Sängerin vom Format Sabine Devieilhes, die sich mit ihren gleichermaßen stilistisch distinguierten und dramatisch...