Der Mörder ist unter euch
Streiter für Tugend, heil’ge Kraft, himmlische Taube, der Vater einst reiner Tor, dann Gralsretter – wer’s glaubt. So edel all dies von Klaus Florian Vogt wieder vorgetragen ist, mit seit einiger Zeit erstaunlich stabilen dramatischen Werten, es bleibt doch eine Lüge, zumindest ein (Sich-)Zurechtbiegen der Wirklichkeit. Darüber kann auch Lohengrins Gesang nicht hinwegtäuschen und ebenso wenig sein weiß glitzernder Schlagersänger-Anzug.
Ohnehin trägt der bald Flecken – Schmutz und das Blut eines vermeintlichen Ritters, der sich am Ende, frustriert und traumatisiert, die Pulsadern aufschlitzt.
Eine uns scheinbar vertraute Figur auf links drehen und umkrempeln – nicht zum ersten Mal hat Katharina Wagner derlei riskiert. Es gehört vielmehr zu ihrer Regiekarriere. Im Herbst 2002 in Würzburg ging das schon los, als sie im «Fliegenden Holländer» Daland als geldgeilen Vater einer verkauften Braut brandmarkte. Sechs Jahre später, bei den «Meistersingern» in Bayreuth, mutierte Hans Sachs vom barfüßigen Frei- zum Ungeist im Spießeranzug. Dazwischen, 2004 in Budapest, lag ein erstes Misstrauensvotum gegen den Schwanenritter: Warum, das interessiert die Regisseurin brennend, besteht dieser ...
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Opernwelt Mai 2025
Rubrik: Im Focus, Seite 22
von Markus Thiel
Das ganze Leben in nur 90 Minuten? Für Jürg Laederach, den ingeniös-versponnenen Schweizer Schriftsteller, war dies kein Problem. Man musste nur die Zeit richtig einteilen und Worte finden, mit denen sich die Existenz (und deren Brüchigkeit) auch in gedankenscharfen Miniaturen beschreiben ließe. Nachgerade in Vollendung gelang dies dem 2018 verstorbenen...
In der jüngeren Vergangenheit ist Bergs «Wozzeck» häufig als hyperrealistisches Prekariats-Drama inszeniert worden. Christiane Iven, die einst selbst als Marie auf der Bühne stand, distanziert sich in ihrer nunmehr zweiten Regiearbeit am Anhaltischen Theater Dessau (im Rahmen des Kurt Weill Fests 2025) bewusst von diesem Trend. Sie setzt auf Stilisierung und...
Seit «Tiefland» befand sich Eugen d’Albert in Hochstimmung. Die Oper feierte landauf, landab Erfolge, die ihm kaum weniger wichtig waren als seine Erfolge bei Frauen. Jede Hochzeit steigerte im Freundeskreis die spöttische Bewunderung, und am Ende wusste niemand mehr, ob der englisch-französische Deutsche mittlerweile die fünfte oder sechste Ehe führte, was einen...