Besichtigungen eines (Un)Glücks

Janáčeks Opern passen in unsere Zeit. Besonders drastisch zeigen das Peter Konwitschny und Markus Poschner am Landestheater in Linz mit ihrer luziden Lesart der «Gerissenen Füchsin». Sehens- und hörenswert sind auch «Die Ausflüge des Herrn Brouček» an der Staatsoper Berlin, während «Katja Kabanowa» an der Bayerischen Staatsoper in München nur musikalisch überzeugt

Opernwelt - Logo

Nein, die blaue Libelle fliegt hier nirgendwo hin. Wie auch, wo sie keine Flügel hat und weit und breit kein Gewässer zu sehen ist, stattdessen aber eine schäbige, mit Kritzeleien beschmierte Häuserfront im Dämmerlicht. An der lehnt, allein, einsam und nervös rauchend, die hinzuerfundene Mutter der Füchsin.

Augenblicklich wird klar, die «Libelle» (Alessia Aurora Rizzi) wartet an diesem unwirtlichen Ort, einem abgefuckten Amüsier -lokal mit dem Namen «Foxy’s», auf Kundschaft für ihren durch ein billiges, grünglitzerndes Minikleid nur spärlich verhüllten Körper, den sie benutzen und beschmutzen lässt, weil sie die Kohle braucht für das Heroin, das sie sich nach (unsichtbar) vollzogenem Geschlechtsakt in die Venen spritzt, um ein bisschen von jener Glückseligkeit zu empfinden, die ihr das Leben nicht zu bieten vermag.

Schon diese Eingangsszene lässt wenig Gutes hoffen. Und sehr bald wird auch deutlich, dass Peter Konwitschny für seine Inszenierung am Linzer Landestheater, zu der er selbst gemeinsam mit dem Dramaturgen Christoph Blitt eine neue deutsche Textfassung erstellt hat, auf Tiere gänzlich verzichtet. Janáčeks drittletzte Oper aus dem Jahr 1925 auf einen Bildroman, der weiland ...

Weiterlesen mit dem digitalen Monats-Abo

Sie sind bereits Abonnent von Opernwelt? Loggen Sie sich hier ein
  • Alle Opernwelt-Artikel online lesen
  • Zugang zur Opernwelt-App und zum ePaper
  • Lesegenuss auf allen Endgeräten
  • Zugang zum Onlinearchiv von Opernwelt

Sie können alle Vorteile des Abos
sofort nutzen

Digital-Abo testen

Opernwelt Mai 2025
Rubrik: Im Focus, Seite 6
von Jürgen Otten, Gerald Felber, Markus Thiel

Weitere Beiträge
Ein merkwürdiger Fall

Die Libretti der berühmtesten Opern Giacomo Puccinis werden häufig unterschätzt. Dabei sind die Szenen präzise, und die Musik folgt jeder Nuance. Etwa wenn Toscas Besänftigung wieder in die nächste Eifersuchtsattacke umkippt; wenn Mario Cavaradossi nicht ganz bei der Sache ist, sondern eine Spur abgelenkt; wenn Scarpia es sich in seiner abgrundtiefen Schlechtigkeit...

Schicksal ohne Schlupfloch

Der Protagonist als leuchtendes Vorbild? Zumindest der Beginn dieser Uraufführung, die sein Name titelgebend ziert, suggeriert dergleichen. Noch ist kein einziger Ton erklungen, da sieht man das Gesicht dieses Mannes. Geisterhaft hebt es sich aus einem Bühnendunkel ab, das sich dann nach und nach mit seiner Handschrift füllt, so als wären es vor allem Gedanken und...

Personalien, Meldungen 5/25

JUBILARE

In eine bestimmte Schublade lässt sich Enjott Schneider (eigentlich Norbert Jürgen Schneider), der am 25. Mai seinen 75. Geburtstag feiert, kaum einordnen. Eher erscheint er als Universalist, der sich um etwaige Grenzen zwischen E- und U-Musik nicht schert, der sich nicht aufhält mit einer Unterscheidung von Kunst- und Gebrauchsmusik, der zahlreiche...