Ausgelöscht
Wie «Salome» ist der Einakter «Elektra» von Hofmannsthal und Strauss eine der großartigen Familienaufstellungen der Operngeschichte – und so sieht das wohl auch der Leipziger Schauspielintendant Enrico Lübbe. Er verbannt die Herrschertochter Elektra in seiner Bonner Inszenierung auf erfrischend unkomplizierte freudianische Art ins Unterstübchen des Palastes von Mykene – im Bühnenbild von Etienne Pluss erinnert er an den eiskalten Pomp von Hitlers Neuer Reichskanzlei.
Ganz unten, wo die Prachttreppe mit dem Goldgeländer endet und der Müll entsorgt wird, haust Elektra: irrer Blick, zerzaustes Haar, schmutziggelbe Tunika und völlig verbohrt in die Idee, ihren Vater Agamemnon (der selbst kein Vorbild an humaner Feinfühligkeit war) zu rächen. Der wurde von seiner Gattin Klytämnestra und ihrem Buhlen Aegist brutal im Bad hingemetzelt – die blutbesudelte Badewanne erkennt man zwischen den Müllsäcken neben einem Grammofon (hat Agamemnon Strauss gehört?), dem Apoll von Belvedere und anderem Kultur- und Vergangenheitsgerümpel.
Elektra ist die personifizierte Erkenntnis, dass Vergangenheit niemals zum Schweigen gebracht werden kann – vor allem nicht die böse, schuldbehaftete. Das betrifft ...
Weiterlesen mit dem digitalen Monats-Abo
Sie sind bereits Abonnent von Opernwelt? Loggen Sie sich hier ein
- Alle Opernwelt-Artikel online lesen
- Zugang zur Opernwelt-App und zum ePaper
- Lesegenuss auf allen Endgeräten
- Zugang zum Onlinearchiv von Opernwelt
Sie können alle Vorteile des Abos
sofort nutzen
Opernwelt Mai 2019
Rubrik: Panorama, Seite 35
von Michael Struck-Schloen
Schöner war Hoffnung wohl nie: «Zieh Gedanke, auf gold’nen Schwingen, / zieh und ruhe auf Fluren und Hügeln! / Lass die Sehnsucht den Lauf dir beflügeln, / bis zu Zions Gebirge und Tal.» Mögen diese luziden Verse nicht jedem Erdenbürger vertraut sein, die Musik dazu ist es mit ziemlicher Gewissheit – das Fis-Dur-Largo aus Verdis «Nabucco» zählt zu den...
Frau Takala, es ist frühmorgens um sieben, die Met ruft an und bittet Sie, am selben Abend die Königin der Nacht zu singen. Sagen Sie zu?
Ich könnte das machen, aber vielleicht nicht in New York; der Flug ist zu lang. In München hingegen wäre es denkbar. Grundsätzlich hängt meine Entscheidung davon ab, welche Partien ich parallel singe. Ist es beispielsweise etwas...
Einen Filmregisseur für eine Inszenierung von «La fanciulla del West» einzuladen, ist naheliegend, enthält Giacomo Puccinis Oper aus dem Jahr 1910 doch alle Topoi des zeitgleich entstehenden Filmwestern. Dabei bedient Andreas Dresen diese Topoi an der Bayerischen Staatsoper keineswegs. Keinen Saloon hat ihm der Bühnenbildner Mathias Fischer-Dieskau gebaut, sondern...
