Apotheose via Warenlift

Monteverdi: L’Orfeo Bern / Stadttheater

Opernwelt - Logo

Der Weg zu «Orfeo» und in die Hölle ist mit festlichen Klängen gepflastert. Er führt vorbei an bleichen Russen, die vor hell erleuchteten Restaurants auf dem Akkordeon ihre Bach-Toccaten und auf der Treppe zum Theater im Bläserquintett virtuose Opern-Arrangements spielen. Im Foyer warten schon die Blechbläser der Camerata Bern, die Monteverdis Eingangstoccata ebenso gut spielen wie die Russen vor der Tür ihren Rossini. Der Alltag dringt durch alle Ritzen dieses «Orfeo», auch in den pastoralen Lustbarkeiten des ersten Akts.

Statt auf eine arkadische Schäferidylle blickt man auf den von Marsha Ginsberg als Künstleratelier eingerichteten Innenraum eines heruntergekommenen Renaissance-Palastes, wo Orfeo zur wilden Hochzeitsparty geladen hat. Frank Lichtenberg hat die Feiernden in weiße, diskret nach der Mode der Roaring Twenties geschnittene Kleider gesteckt und bunte karnevaleske Kostüme daruntergemischt. Es wird getrunken, gerammelt und gelacht, und mittendrin steht etwas unbeholfen der Gastgeber herum.

In der imposanten Gestalt von Uwe Stickert gleicht er mehr einem wilhelminischen Malerfürsten als einem von Liebessehnsucht verzehrten griechischen Hirten. Musikalisch jedoch kommt ...

Weiterlesen mit dem digitalen Monats-Abo

Sie sind bereits Abonnent von Opernwelt? Loggen Sie sich hier ein
  • Alle Opernwelt-Artikel online lesen
  • Zugang zur Opernwelt-App und zum ePaper
  • Lesegenuss auf allen Endgeräten
  • Zugang zum Onlinearchiv von Opernwelt

Sie können alle Vorteile des Abos
sofort nutzen

Digital-Abo testen

Opernwelt Mai 2015
Rubrik: Panorama, Seite 35
von Max Nyffeler

Weitere Beiträge
Turbulenzen mit Ansage

So schnell lässt sich ein Alphatier wie er nicht aus der Ruhe bringen. Und schon gar nicht aus dem Haus vertreiben, in dem er 1995 als Casting Director anfing und das er seit 2005 als Artistic Director leitet. Kritik an seinen (mitunter einsamen) Entscheidungen oder an seinem Führungsstil scheint John Berry eher zu beflügeln als zu hemmen. Als vor zwei Jahren –...

Geschäftige Moderne

Während auf der großen Seebühne gezauberflötet oder in den Tod gesprungen wurde, war das Festspielhaus der Bregenzer Festspiele in der Intendantenzeit von David Pountney (2003 bis 2014) Opernraritäten und Uraufführungen vorbehalten. Zwei Novitäten stachen heraus: Vor fünf Jahren brachte Pountney, 42 Jahre nach der Fertigstellung, die szenische Erstaufführung von...

Ausdeutung durch Andeutung

Wenn die Herrichtung von «Tristan und Isolde» an der Opéra national du Rhin in Straßburg und Mulhouse jemanden in den Wahnsinn getrieben hat, ist uns das nicht bekannt. Wer ihr ein Lob des Maßes nachsagen wollte, begäbe sich aber gleichfalls auf schwankenden Boden. Denn: Welches andere Musiktheaterwerk überschreitet so mutwillig und aggressiv jede Grenze...