Zauberhaft

Händel: Semele
Berlin | Komische Oper

Gott ist tot? Von wegen. Allgegenwärtig ist er, allwissend, allmächtig. Und vor allem laut. Ungezählte Male an diesem Abend ist sein (elektronisch gesteuerter) Donner im weiten Rund der Komischen Oper Berlin zu vernehmen, und mag es geschlagene eineinviertel Stunden dauern, bis wir Jupiters endlich ansichtig werden (verkleidet, als vornehmem Gesellschaftsmenschen), weiß doch jeder im Raum: Er ist da. Wie Keikobad, der Unsichtbare. Nur eben noch stärker, verwandlungsfähiger. Und: ein Verliebter.

Wenn Allan Clayton im Smoking den völlig verkohlten Saal betritt (er hat fürwahr ganze Arbeit verrichtet, der Blitzzornige), würdevoll und neckisch-keck zugleich in seinen Gesten, dann wissen wir längst, dass es hier schon häufiger gebrannt hat. Auch Nicole Chevaliers wildwüchsig-existenzialistische Semele entstieg ja (phönixgleich?) bereits zu Beginn einem Aschehaufen, während die Musik, vielleicht eine Spur zu bedächtig-bedeutsam, noch melancholisch in c-Moll schmerzte. Ein unwirtlicher Ort also, in dem gleichwohl zunächst die falsche Hochzeit anberaumt ist.

Barrie Kosky, der nach der krankheitsbedingten Absage von Laura Scozzi gleichsam über Nacht zu Händels 1744 an Covent Garden ...

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Opernwelt Juli 2018
Rubrik: Panorama, Seite 35
von Jürgen Otten

Vergriffen
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