Wiener Gesamtkunstwerker

Provokant sind beide. Während Gerhard Rühm jedoch stets rational operierender Artist fernab religiös mythologisierender Sinnhuberei geblieben ist, sucht Hermann Nitsch gerade das Elementare, Kreatürliche und die blutig dampfende Materie

Opernwelt - Logo

«Wien, Wien, nur du allein sollst stets die Stadt meiner Träume sein.» So jauchzend umschwurbelte einst Peter Alexander sein überirdisch fesches Paradies ewigen Frühlings- wie auch Liebesglücks – und der Himmel voller Geigen! Aber Wien wäre nicht Wien, hielte der obligate «Schmäh» im Song nicht auch die zynische Gegenwelt parat: «Vienna, Vienna, nur du allein, gemma, gemma ins Altersheim!» Alles überstrahlende Lebenslust und unaufhaltsame Hinfälligkeit gehören an der nur bedingt schönen Donau eng zusammen.

So wie hinter den prangenden Barockfassaden der Habsburgerkapitale der Donaumonarchie der bodenlos schwarze Untergrund lauert. Nicht zufällig endet Schuberts weniger bekanntes Mayrhofer-Lied «Auf der Donau» mit der Zeile «Wellen drohn wie Zeiten Untergang.»

Wien-Besuche lohnen immer, spenden heilsame Belehrung über solch glorios-makabren Doppelcharakter. Geht man durch die «Kapuzinergruft», vierhundertjähriges Begräbnispantheon der Herrscherdynastie, so ist man verblüfft, bedrückt, womöglich sogar leicht komisch berührt durch den Gegensatz von feierlicher Stimmung, dem überreichen Schmuck der Zinn- und Kupfersarkophage und dem fahlen Licht, das diese selber einem Beinhaus ähneln ...

Weiterlesen mit dem digitalen Monats-Abo

Sie sind bereits Abonnent von Opernwelt? Loggen Sie sich hier ein
  • Alle Opernwelt-Artikel online lesen
  • Zugang zur Opernwelt-App und zum ePaper
  • Lesegenuss auf allen Endgeräten
  • Zugang zum Onlinearchiv von Opernwelt

Sie können alle Vorteile des Abos
sofort nutzen

Digital-Abo testen

Opernwelt Juli 2021
Rubrik: Focus Spezial, Seite 20
von Gerhard R. Koch

Weitere Beiträge
In Flügelschuhen

Ein Stimmwechsel sei auch bei einer Frau möglich, kalauerte einmal der österreichische Kabarettist Maxi Böhm – wenn sie nämlich dem Tenor den Laufpass gebe und sich dem Bariton zuwende ... Auf der Bühne läuft es indes meist umgekehrt; da fliegen die Herzen den Tenören zu, während die Baritone der Handlung das Gift von Eifersucht und Mordlust einträufeln. So richtig...

Ein-Blicke Juli 2021

Duisburg
«Romeo und Julia»

Wer Charles Gounods Vertonung des Shakespeare-Stoffes im Ohr hat, wird sich selbiges einigermaßen verwundert reiben. Diese Musik ist ganz anders: spröder, kühler, distanzierter, ja man könnte sagen: verschrobener. Und das mit Grund: Der Komponist heißt Boris Blacher, sein Stück stammt aus dem Jahr 1943. Und entheroisiert das Sujet...

Editorial Juli 2021

Der Witz ist alt, aber nach wie vor gut, und er geht so: Drei Herren sitzen droben auf der Himmelswiese lorbeerumkränzt beieinander und debattieren darüber, wer von ihnen zu Lebzeiten der größte Dirigent aller Zeiten gewesen sei. Als Erster führt Karl Böhm das Wort. Und erzählt den beiden anderen eine staunenswerte Geschichte: Gott höchstselbst sei ihm im Traum...