Von Menschen und Molchen
Das Stück inszeniert sich eigentlich von selbst. Viele Regisseure begnügen sich damit, für Büchners frühen Naturalismus triste Bilder der Hoffnungslosigkeit zu entwerfen, ergänzt um grelle Satiren auf Militarismus, Männergeilheit und wertfrei forschende Wissenschaft. Der gemeine Soldat und Gelegenheitsarbeiter Wozzeck ist Opfer einer menschenverachtenden Klassengesellschaft, der Mord an seiner Geliebten Marie eine Eifersuchtstat, die aus der depravierten sozialen Stellung des Täters erwächst.
Wozzecks «Wir arme Leut!»-Pathos, sein erster großer Monolog über die Unvereinbarkeit von Armut und Moral, kann als Muster gelten aller literarischen Klageschriften aus den 20er-Jahren – man denke an Brechts «Dreigroschenoper» oder Döblins «Berlin Alexanderplatz» – und befriedigt noch heute die intellektuellen Ansprüche vieler Theatermacher. Christiane Lutz wählt einen anderen Weg. Ihre Cottbuser Inszenierung des «Wozzeck» entzieht sich dem banalen Täter-Opfer-Schema. Sie sucht nach dem Subtext bei Büchner und Berg. Und findet ihn.
Die Erstfassung des Dramenfragments nennt verschiedene Weichtiere, auch Frösche, Kröten, Süßwasserpolypen. Georg Büchner, promovierter Neurologe und Anatom, ...
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