Versehrte Seelen
Im Kopf des jungen Mannes herrscht ein Riesen-Durcheinander. Seine gesamte Identität schwankt bedenklich, das Dasein erscheint ihm wie ein einziges Paradoxon. Auf der einen Seite fühlt sich Lisandro Vega, den sie alle nur Eisejuaz nennen, verbunden mit jenem indigenen Stamm aus dem Norden Argentiniens, als dessen Mitglied er aufgewachsen ist, auf der anderen prägt ihn die Sozialisation durch eine Missionsstelle mit ihren strengen Geboten.
So zieht es ihn einerseits immer wieder zur vertrauten schamanischen Tradition, Eisejuaz kommuniziert mit den Tieren und den Bäumen, die zu ihm sprechen. Zugleich führt er ein (bürgerliches) Leben, in dem ihm puristische Pastoren das Schreiben und Lesen beibringen, aber auch Gehorsam, ja, Unterwerfung fordern. In diesem Gestrüpp dröhnen die Kettensägen und die Lastwagen, die Ladung um Ladung das Biotop des Waldes zerstören – Eisejuaz selbst nimmt daran teil, indem er zeitweise in einem Sägewerk arbeitet. Und stößt dabei auf eine Vielzahl von Menschen, die ihm mit den unterschiedlichsten Forderungen begegnen.
So schildert es die argentinische Schriftstellerin Sara Gallardo in «Eisejuaz», ihrem beklemmenden Roman aus dem Jahr 1971. Dieser ist in ...
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Opernwelt Mai 2025
Rubrik: Im Focus, Seite 4
von Peter Hagmann
Die Libretti der berühmtesten Opern Giacomo Puccinis werden häufig unterschätzt. Dabei sind die Szenen präzise, und die Musik folgt jeder Nuance. Etwa wenn Toscas Besänftigung wieder in die nächste Eifersuchtsattacke umkippt; wenn Mario Cavaradossi nicht ganz bei der Sache ist, sondern eine Spur abgelenkt; wenn Scarpia es sich in seiner abgrundtiefen Schlechtigkeit...
Der Teufel mag es ungebärdig und ein wenig billig. Das ist seine Welt, da kennt er sich aus. Er mag den Zinnober, zündet Flämmchen an und hetzt die Masse auf, in der Hölle nur noch das Wort «Hass» zu skandieren. Ein schlimmes Wort, das hier noch gefährlicher zischt als sonst schon. Ein Tierlaut – sieht man davon ab, dass Tiere nicht hassen. In einer der schönsten...
Was für ein famoses Experiment der Satire: Florian Leopold Gassmann wendet die Typenkomödie der Opera buffa, wie sie im Stegreiftheater der Commedia dell’Arte vorgebildet ist, auf die tragischen Heldengeschichten der Opera seria an. Letztere war anno 1769 zur Uraufführung von Gassmanns Satire «L’Opera Seria» am Burgtheater schon arg in die Jahre gekommen. Gluck...
