Verblüffend plausibel
Zwei, drei Cocktails zu viel, dazu womöglich ein paar eingeworfene Pillen – die Grenze zur Willenlosigkeit ist längst überschritten. Und dann die Vergewaltigung im Nebenzimmer: geile Böcke, die das auch noch filmen, ins Netz stellen; die Kommentarspalte läuft voll mit Widerlichem. Das Internet vergisst nichts, auch Violetta ist auf ewig traumatisiert. Eine Möglichkeit von Liebe, auch Körperlichkeit glimmt erst Jahre später auf in der Begegnung mit Alfredo. Auf dem Höhepunkt des ersten Duetts riskiert sie einen Kuss.
Doch das Vergewaltigungs-Video wird auch von der Familie Germont registriert. Alles vergebens also – Violetta schneidet sich den Hals auf. Im letzten Bild tritt sie singend aus ihrem Körper, der überforderte Alfredo und die Freunde barmen am Klinikbett, in dem eine komatöse Frau liegt.
Auch so kann man Verdis «La traviata» aufrollen. In der Nacherzählung wirkt das wie eine stereotype Modernisierung. Doch tatsächlich stößt Regisseurin Ilaria Lanzino am Staatstheater Nürnberg zum Kern der Tragödie vor, die zur Uraufführungszeit das Publikum verstörte. Brandmarkung, gesellschaftliche Ächtung, schonungsloser Realismus, dafür findet sie eine szenische Übersetzung ins Heute, ...
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Opernwelt November 2025
Rubrik: Panorama, Seite 46
von Markus Thiel
Der Satz hat Format und einige dialektische Würze. «The past is never dead. It’s not even past». So steht es in William Faulkners 1951 erschienenem Roman «Requiem for a Nun». Auch Detlev Glanert und der Librettist Reinhard Palm stellen diese philosophisch klugen Worte in deutscher Übersetzung («das Vergangene ist niemals tot, es ist nicht einmal vergangen») dem...
Es ist ein Opernabend für Fortgeschrittene, den das Theater Bremen mit seiner neuen «Butterfly»-Produktion dem Publikum präsentiert. Denn man muss das Stück schon recht genau kennen, will man den Ideen der Regisseurin und ihrer Umsetzung folgen. Puccinis Oper sei, so erklärte es Ulrike Schwab in einem Vorab-Interview, «ein Stück über Frauen und nicht nur über eine...
Es fängt gemächlich an. Dem Stück fehlt eine zündende Ouvertüre, wie sie Reznicek für seine «Donna Diana» – dank Angelo Neumanns Anregung – nachgeliefert hatte. Doch entschädigt der «Till Eulenspiegel» Ende des ersten Akts großzügig: Der durch Gezwitscher charakterisierte Spaßvogel resümiert sein Glaubensbekenntnis, indem er eine altertümliche Weise anstimmt,...
