Und das Auge blickt in die Ewigkeit

Giacomo Puccini war ein Mann, der die Frauen liebte. Im Leben und auf der Bühne. Wie aber gestaltete er seine femmes fatales und femmes fragiles? Welche Musik schenkte er ihnen? Ein Gang durch die Galerie

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Das letzte Wort hat Liù. Die kleine Sklavin mit dem großen Herzen. Die weiß, wie sich Liebe anfühlt, wie sie schmeckt, welchen Zauber, welchen Duft sie zu verströmen weiß. Und die den Unterschied kennt zwischen dem reinen Begehren und jenem höheren Gefühl, das sich nicht allein aus körperlichem Verlangen speist, sondern weit mehr aus der Idee von Philia und Agape – vielleicht auch deshalb, weil sie Ersteres vermutlich nie in ihrem Leben genießen durfte.

Ihre Musik, Liùs Musik, sie erzählt davon, in einem harmonischen Gewand, das uns ahnen lässt, dass die Sonne nie mehr scheinen wird. Es-Moll, das ist bei Puccini nie die Tonart der Freude gewesen, sondern meist die der Traurigkeit, Verzweiflung und Verlorenheit (bereits das frühe Lied «Ad una morta» auf Verse Antonio Ghislanzonis, den Librettisten von Verdis «Aida», ist in verschattete es-Moll-Klänge gehüllt). Und so hebt Liù ihre Stimme, hebt an zu einem Gesang, der so schmerzlich-schön ist, dass man sich in ihn verlieben könnte, wüsste man nicht, dass der Tod schon seine Arme ausgebreitet hat und sie, die wahre und vergeblich Liebende, bald mit sich nehmen wird. Con dolorosa espressione wünscht sich Puccini Liùs Abschiedsgesang, ...

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Opernwelt Jahrbuch 2024
Rubrik: 100. Todestag Giacomo Puccini, Seite 102
von Virginie Germstein

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