Überlebenstest für Verdi
Es gibt gute Gründe, die Volksbühne als viertes Opernhaus Berlins zu sehen. Denn obwohl am Rosa-Luxemburg-Platz keine regulären Musiktheaterproduktionen gezeigt werden, sind nur wenige deutsche Bühnen seit der Wende so wichtig für die Entwicklung des Musiktheaters gewesen: Die Arbeiten von Regisseuren wie Sebastian Baumgarten, Benedikt von Peter und David Marton sind ohne das Dekonstruktionstheater von Frank Castorf nicht denkbar.
Der Hausherr selbst sezierte die «Meistersinger», Marton widmete sich dem «Wozzeck», und Baumgarten durfte mit Sophie Rois den Wirkungsmechanismen von Puccinis «Tosca» nachspüren. Auch beim jüngsten Projekt dieser Versuchsreihe steht die Hausdiva im Mittelpunkt. Rois’ Lebensgefährte, der Filmemacher Clemens Schönborn, hat ihr eine aus Verdi und Alexandre Dumas’ «Kameliendame» zusammengestückelte Version der «Traviata» auf den Leib geschneidert.
Der Reiz solcher Projekte liegt natürlich vor allem darin, dass sich das Theater all das trauen darf, wogegen ein Opernpublikum heftigst protestieren würde: Auch in dieser «Kameliendame» wird Verdis Musik (von der eine ganze Menge zu hören ist) zur Begleitung einer siebenköpfigen MusikerCombo gesummt, gekrächzt ...
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Opernwelt Mai 2011
Rubrik: Magazin, Seite 74
von Jörg Königsdorf
Jules Massenets lange – wie die Titelfigur – ein wenig vernachlässigte «Cendrillon» scheint sich zu einem heimlichen Hit der Saison zu entwickeln. Nach Aufführungen in Paris und Wien wird seinem Aschenbrödel ab Juli auch in London der gläserne Schuh angepasst. Und das dann in einer komisch effektvollen Inszenierung aus Santa Fe, die nächste Spielzeit nach Brüssel...
Je länger diese Aufführung dauert, desto stärker keimt ein Verdacht: Womöglich hat man sich bei Wagners «Tristan und Isolde» schon an zu viel gewöhnt. An Dirigenten, die ihr Heil im effektvollen Ertrinken und Versinken suchen und darob ihren Job als strenger Steuermann vergessen. Auch an Orchester, die willig und billig alles mit Emotion fluten, wo doch minutiöse...
Zwischen 1945 und 1990 hat man Arrigo Boitos «Mefistofele» in Deutschland, wenn überhaupt, dann nur konzertant gespielt. Seitdem scheint sich eine leise Renaissance des Werks anzudeuten, an der sich jetzt Lübeck (in Koproduktion mit Kaiserslautern und Regensburg) mit einer rundum stimmigen Aufführung beteiligte.
«Und jedermann erwartet sich ein Fest» – Heidrun...
