
Emily Newton (Tatjana); Foto: Anke Sundermeier/Theater Dortmund
Trophy Wife Tatjana
Vermutlich spielt sich das Ganze, wie die Regisseurin Tina Lanik es sich ausgedacht hat, in Tatjanas Kopf ab. Eine Leseratte, die bebrillte Nase dauernd in Büchern. Und durch ihr Leserattenzimmer, das Jens Kilian als riesigen Holzkubus gebaut hat, sind Wäscheleinen gespannt, an denen beschriebene Blätter hängen: Wer so viel liest, will auch schreiben, womöglich noch mehr Briefe als den an den Nachbarn Onegin.
Der Würfel lässt sich auch drehen, dann sieht man die Landfrauen draußen sitzen, beim Marmeladekochen, von früher schwatzend, mit Zigarettchen, Likörchen, was das Leben eben erträglich macht.
Tatjana aber will mehr, alles, Liebe. Doch sie adressiert den eindeutig und von Anfang an Falschen. Simon Mechlinskis Onegin sieht nicht übel aus und singt ordentlich, aber er ist ein Holzkopf. Nicht bloß, als er Tatjanas Liebestext stumpf zurückweist; auch am Ende, als er sie – der Würfel ist jetzt ein urbaner Glitzerkubus im Neureichenstil der Sixties – beim Fürsten Gremin wiedertrifft und nun durch die Wand will, zur Glamour-Tatjana. Das geht nimmer gut, kann und konnte nie, und leider ist uns das nicht nur schon vollkommen klar, sondern auch vollkommen schnuppe. Ein Missverständnis. ...
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Opernwelt Februar 2018
Rubrik: Panorama, Seite 40
von Holger Noltze
Der Geiger Henri Marteau (1874-1934) – der Vater Franzose, die Mutter Deutsche – versuchte zeit seines Lebens den Spagat zwischen Frankreich und Deutschland. Er war als Nachfolger des großen Joseph Joachim Professor an der Berliner Musikhochschule, geriet zwischen die Fronten, wurde in Deutschland als französischer Reserveoffizier bei Kriegsausbruch 1914...
Zweimal an diesem Abend beginnt sich der Tunnel spektakulär zu drehen: am Ende von «Il tabarro», wenn der getötete Nebenbuhler wie am Fleischerhaken rotiert, und am Schluss von «Suor Angelica», wenn die Titelheldin ihr totes Kind pathosaffin im Himmel kreisen sieht. Nur in «Gianni Schicchi» hängt, welche Ironie, der Tote schon friedlich von der Decke, auf dass die...
Nur drei Jahrzehnte trennen die beiden Werke – und doch klafft ein tiefer historischer Graben zwischen ihnen. Als Paul Abrahams «Märchen im Grand-Hotel» 1934 uraufgeführt wird, ist der jüdische Komponist bereits aus Berlin geflohen. Seine neue Lustspieloperette kann nur noch in Wien auf die Bühne gelangen – dabei atmet sie doch denselben frech-frivolen Geist der...