Todessehnsüchtig

Katharina Thoma verweigert den Liebenden in «Tristan und Isolde» an der Oper Frankfurt eine gemeinsame Vision, Sebastian Weigle dirigiert einen rationalistischen Wagner

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Insel der Glückseligen? Das Bild, das wir zu Beginn des dritten Aufzugs sehen, verheißt diesbezüglich wenig Gutes. Johannes Leiackers karge, von Olaf Winter raffiniert ausgeleuchtete Schwarzweiß-Bühne definiert Kareols Küste vielmehr als Ort einsamen Sterbens, als Gegenentwurf zu einer irgendwie gearteten positiven Utopie.

Zerborstene Bruchstücke jener riesigen Platte, die noch im ersten Teil über dem Boden schwebte (und so zum Menetekel der gewaltigen Gefühlsschwankungen wie zum Gefängnis für Isolde wurde) und dann im Liebesakt als gleichermaßen trennende Wand und Magnetfeld für die Liebenden emporragte, türmen sich zum granitschwarzen Scherbenhaufen. Zwischen den Brocken das angespülte schwarze Ruderboot und Tristan, nach innen gewendet, ohne Weltbezug, nur noch mit seiner Erinnerung konfrontiert.

Es ist eine traurige Erinnerung: Müde wandelt das Englischhorn mitsamt seiner melancholischen Melodie übers nebelverhangene f-Moll. Wie wichtig «diese alte Weise» für Tristan ist, verdeutlicht die Entscheidung Katharina Thomas, den Musiker Romain Curt auftreten zu lassen, als barfuß, im schwarzen Anzug ums karstige Gestein herumstreichende Figur. Die Regisseurin hat den Text genau ...

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Opernwelt März 2020
Rubrik: Im Focus, Seite 18
von Jürgen Otten

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