Szenen aus dem besetzten Wien

Dietrich Hilsdorf reaktiviert in Leipzig seine Deutung der «Entführung»

Opernwelt - Logo

Die Idee ist bestechend, wiewohl sie Diet­rich Hilsdorf schon vor zehn Jahren als Urgrund seiner Auseinandersetzung mit Mozarts «Entführung» verwendet hatte, seinerzeit in Gelsenkirchen. Kein Harem irgendwo, sondern ein Saal eines Schlosses in der k. u. k.-Hauptstadt bildet den Spielort für seine In­szenierung. Dieter Richter hat ihm für Leipzig einen von der Schlacht schwer verletzten Raum gebaut, der seiner pittoresken Vergangenheit nur noch nachweinen kann. Denn die Türken stehen nicht vor der Stadt, wie noch neunundneunzig Jahre zuvor.

Sie haben Wien tatsächlich besetzt, an einem tatsächlichen Tag: dem 14. Juli 1782. Historisch entspricht das keineswegs der Wahrheit, aber für das Stück bedeutet es eine Verortung, die passt. Der Kampf der Kulturen ist nicht mehr nur Imagination mit Kitsch­anteil, er ist konkreter Alltag. «Szenen aus dem besetzten Wien» lautet der Untertitel.
Es herrscht Gewalt, Sieger und Verlierer liefern sich ein Hauen und Stechen. Ein Mann wird gehängt, der Galgen befindet sich, wie ein Da­mok­lesschwert, direkt am Kronleuchter der vormals herrschaftlichen Stätte. Die Frauen werden geraubt, eine schöner als die andere. Wäre nicht die Musik, die schon hier ...

Weiterlesen mit dem digitalen Monats-Abo

Sie sind bereits Abonnent von Opernwelt? Loggen Sie sich hier ein
  • Alle Opernwelt-Artikel online lesen
  • Zugang zur Opernwelt-App und zum ePaper
  • Lesegenuss auf allen Endgeräten
  • Zugang zum Onlinearchiv von Opernwelt

Sie können alle Vorteile des Abos
sofort nutzen

Digital-Abo testen

Opernwelt März 2006
Rubrik: Thema, Seite 37
von Jürgen Otten

Vergriffen
Weitere Beiträge
Heroine mit Herz

Am Anfang war Astrid Varnay. Ihr verdankte ich den persönlichen Kontakt zu Birgit Nilsson. Ich wollte mit der großen schwedischen Sopranistin über ihr Leben und ihre Kunst reden. Sie hatte sich schon weitgehend aus der Öffentlichkeit zurückgezogen, gab nur noch selten Interviews. Ein lapidares Fax aus Schweden erreichte mich, einen Tag nachdem ihre Freundin Astrid...

Mozart, der Progressive

Erfahrungen mit historischer Auffüh­rungspraxis kommen bei der Dresdner Staatskapelle bislang nur sporadisch zum Zuge. Einzelne der immerhin sechs Mozart-Produktionen im Repertoire der Semperoper sind daher trotz der viel gerühmten Spielkultur der Staatskapelle von durchaus behäbiger Konventionalität. Gemessen daran bietet der neue Dresdner «Figaro» manche...

Präzise Turbulenzen

Keine Frau, spottet Despina, sei bisher an Liebeskummer gestorben. Ob sie wirklich glaube, erwidert darauf Dorabella, dass einen anderen lieben könne, wer einen Gug­lielmo oder Ferrando hatte. Die Fehlleis­tung, dass sie erst den Liebhaber ihrer Schwester nennt – ist komponiert. Die in der musikalischen Phrase nach «Gug­lielmo» stehende Pause übersetzt Vincent...