Stimmkultur–oder Kraftmeierei?

Zum Finale des 33. Internationalen Hans Gabor Belvedere Gesangswettbewerbs in Düsseldorf

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In den 1950er-Jahren ließ der Wiener Chansonnier Hermann Leopoldi im Liede einen wegen nächtlicher Ruhestörung eingebuchteten «stillen Zecher» jammern: «Geh’n S’ nur in d’ Oper rein – dort singen d’ Leut’ viel lauter noch, aber die sperrt keiner ein.» Man sieht, das Missverständnis, Lautstärke sei eine Qualität des Operngesangs, ist nicht neu. Schon Verdi hat darunter gelitten. Doch in den letzten Jahrzehnten scheinen sich die Bewertung von Gesang und die Erwartungshaltung des Publikums stärker in Richtung vokaler Kraftmeierei verschoben zu haben.

«Laut und effektvoll muss es sein; und jeder singt dabei gegen sein eigentliches Image an», klagte Brigitte Fassbaender unlängst in «Opernwelt» (siehe OW 6/2014).

Dabei war der zum 33. Mal ausgetragene Belvedere-Wettbewerb – oft als «Wallstreet der Kehle» apostrophiert – reich gesegnet mit bemerkenswertem sängerischen Material, vor allem die Frauen ließen aufhorchen (wobei sich unter den zehn im Finale vertretenen Sängerinnen auffallenderweise kein einziger dramatischer Alt oder Mezzo befand, bloß ein lyrischer). Und doch schien bei der Vergabe des ersten und des Publikumspreises an die junge Russin Irina Churilova (mit Leonoras «Tacea la ...

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Opernwelt September/Oktober 2014
Rubrik: Magazin, Seite 93
von Gerhard Persché

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