Sittenbild mit Löwe

Verdi: I due Foscari Mailand / Teatro alla Scala

Opernwelt - Logo

Der Untergang des Dogen Foscari sei eine Metapher für den Verfall der Stadt Venedig – so ließ sich Regisseur Alvis Hermanis über sein neuestes Projekt vernehmen. Interessantes Konzept. Wenn sich da nicht eine historische Unstimmigkeit eingeschlichen hätte: «I due Foscari» spielt im Jahre 1457. Zu diesem Zeitpunkt aber stand Venedig noch auf der Höhe seiner imperialen Macht. Die Bilder, die der lettische Regisseur, der außerdem als Bühnenbildner tätig wurde, für seine Mailänder Inszenierung gefunden hat, stammen denn auch größtenteils aus dem 16. und 17. Jahrhundert.

Zwar waren dies für die Lagunenstadt tatsächlich Zeiten ökonomischen und militärischen Niedergangs. Andererseits zeitigte gerade diese Epoche eine nie dagewesene Blüte in den Künsten und der gehobenen Lebensart. Von einer, wie es im Vorfeld hieß, «historisch informierten» Produktion kann also nur bedingt die Rede sein.

Eine innovative Idee besteht im Bildzitat einer alten Reliefplastik, die bis heute den Dogenpalast in Venedig ziert: der Löwe des Heiligen Markus. Schon zur Ouvertüre sieht man Plácido Domingo als Foscari senior vor dem steinerenen Tier knien. Bei ihm sucht er Trost wie bei einer Hauskatze. Über den Abend ...

Weiterlesen mit dem digitalen Monats-Abo

Sie sind bereits Abonnent von Opernwelt? Loggen Sie sich hier ein
  • Alle Opernwelt-Artikel online lesen
  • Zugang zur Opernwelt-App und zum ePaper
  • Lesegenuss auf allen Endgeräten
  • Zugang zum Onlinearchiv von Opernwelt

Sie können alle Vorteile des Abos
sofort nutzen

Digital-Abo testen

Opernwelt April 2016
Rubrik: Panorama, Seite 42
von Carlo Vitali

Weitere Beiträge
Was fühlt ein Mörder?

Es gibt Partituren, die nach ihrer Uraufführung vergessen werden, im Strudel der Gezeiten untergehen und am Ende nurmehr eine Fußnote wert sind. Umso hellhöriger wird man, wenn im ausgehenden 17. Jahrhundert selbst Jahrzehnte nach einer Premiere noch über deren sensationellen Erfolg berichtet wird. Mag dies der Kompilationssucht der Zeitgenossen geschuldet sein,...

GEREIFT: Janáceks «Jenufa» aus der Deutschen Oper Berlin

Nicht alles, was auf den ersten Blick glänzt, ist von bleibendem Wert. Und nicht alles, was zunächst trübe wirkt, bleibt dauerhaft im Schatten. Als die Deutsche Oper Berlin 2012 «Jenufa» herausbrachte, überwogen gemischte Gefühle (siehe OW 4/2012). Dirk Beckers aseptisch leerer Weißraum, in dem Christof Loy die Tragödie ganz aus dem inneren Drama der Küsterin...

Was heißt hier Provinz?

Ein grauer Morgen in Quedlinburg, es nieselt, die Temperaturen werden nicht über fünf Grad steigen, der Himmel liegt so tief, dass die Wolken am Turm der Stiftskirche hängen zu bleiben drohen. Mon Dieu, wie soll man so einen deprimierenden Sonntag nur durchstehen? Gehen wir doch einfach in die Oper! Um 15 Uhr wird Daniel François Esprit Aubers «Fra Diavolo»...