Simulierte Soap
Natürlich ist das Ganze grandioser Kitsch. An der Elle dramaturgischer Logik oder psychologischer Plausibilität sollte man die Story der keuschen Maid nicht messen, die im Goldrausch-Westen Amerikas unter lauter zwielichtigen Kerlen tapfer ihre Frau steht, um am Ende einen zugelaufenen Desperado direkt vom Galgen ins Eheglück zu führen. Schon das um die vorletzte Jahrhundertwende auf US-Bühnen höchst erfolgreiche Melodrama von David Belasco, das Puccini für seine siebte Oper, ein Auftragswerk der New Yorker Met, bemühte, zielte auf die Tränendrüse, Lacher inklusive.
Zum Schluchzen sentimental geriet dann Guelfo Civininis und Carlo Zangarinis Libretto für den 1910 uraufgeführten Dreiakter. Selbst ein wohlgesonnen beschlagener Verehrer wie der Puccini-Biograf Dieter Schickling stellt den Verfassern des Plots miserable Noten aus. Das Gerüst: eine banale Dreiecksgeschichte – zwei Männer, eine Frau. Der Rest: atmosphärische Kulisse. Warum Jungfer Minnie, belesen und bibelfest, in der kalifornischen Wildnis eine Schänke betreibt, bleibt so unerfindlich wie die Gabe, ihre an Whiskey, Huren und rauchende Colts gewöhnte Macho-Klientel mit Moralpredigten in ihren Bann zu schlagen. Und wieso ...
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Opernwelt August 2021
Rubrik: Im Focus, Seite 12
von Albrecht Thiemann
Die größten Tyrannen finden wir bei William Shakespeare. Leontes, von Eifersucht zerfressen, Richard III., der Fieseste von allen, ferner einige der Heinrichs, Claudius, Julius Caesar, Titus Andronicus. Sie alle zeichnet ein untrüglicher Hang zum Sadismus aus, der unbeugsame Wille zur uneingeschränkten Ausübung ihrer Macht, und sei es gegen jede humane Vernunft und...
Schon Tonart und Taktart verheißen viel Gutes. In lichtdurchflutetes G-Dur kleidet Händel die Arie seiner Titelheldin kurz vor Ende des zweiten Akts von «Rodelinda, Regina de’Longobardi» und wählt dazu einen sanft schaukelnden 12/8-Takt. Und so wiegt sie ihren Kopf hin und her, die Königin, und hofft, der Geliebte möge bald schon an ihrer Seite sein: «Ritorna, o...
Es waren Bilder, die durch die Presse gingen, weit über Deutschland hinaus: Freiburger Hitlerjungen halten Mahnwache an den Särgen englischer Jugendlicher. Tags zuvor, am 17. April 1936, war eine Gruppe von 27 britischen Schülern mit ihrem Lehrer zu einer Wanderung in die Schwarzwald-Höhenwelt rund um den Freiburger Hausberg Schauinsland aufgebrochen. Fünf von...