Sechsmal hoch
Nicht nur in Roms Caracalla-Thermen, so viel darf spekuliert werden, auch in den Stadien der Welt dürften sie heute Kreisch-Ovationen auslösen. Farinelli/Senesino/ Carestini, das wäre so etwas wie Domingo/Pavarotti/Carreras in Potenz – für die feinen Kastratenorgane gäbe es ja Mikros und Mischpulte. So absurd mutet es also gar nicht an, dass die Stimmfach-Nachfolger ein wenig (und leicht verspätet) vom Tenor-Hype der Neunziger profitieren wollen.
Der CD-Titel «The 5 Countertenors» lässt also zunächst an vieles denken: «Granada» und «O sole mio» in Stratosphärenlage? Ein gemeinsam geschmettertes «Nessun dorma», vielleicht mit interpolierter Koloraturkadenz?
Das Ergebnis ist jedoch recht brav geraten. Keine Duette, keine Queerbesetzungen, keine Selbstironie: Die Silberscheibe versammelt weitgehend Nummern der üblichen Komponisten-Verdächtigen und vor allem den Freundeskreis von Max Emanuel Cencic: Dessen Firma Parnassus fungiert immerhin als Koproduzent. Alles «nur» vokale Visitenkarten also, von George Petrou und Armonia Atenea nervig-vibrierend befeuert, doch die haben es in sich. Vor allem, weil sie vorführen, wie sehr sich da ein Fach verästelt hat, das nur schwer unter dem ...
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Opernwelt Juli 2015
Rubrik: Hören, Sehen, Lesen, Seite 19
von Markus Thiel
Die blockhaften Akkorde, die Harmonieschleifen, der harte Puls, die kantige Dynamik – ein wenig erinnert der Orchestersatz schon mal an Bruckner, der bekanntlich in Sankt Florian und Linz die Orgelbank drückte. Aber auch an Minimal Music Patterns und: die heute fast nur noch im Jazz und von Kantoren gepflegte Kunst des formgebundenen Extemporierens. Dass Thierry...
Einem patriotischen Polen kämen keine Bedenken, Stanislaw Moniuszko an den Größten seiner Zeit zu messen und ihn als polnischen Verdi zu bezeichnen. Dabei hat den nur sechs Jahre jüngeren Moniuszko eine ähnliche politische Situation geprägt wie den italienischen Kollegen. Das Kongress-Polen von 1815 war ein schwacher und abhängiger Staat, Erhebungen 1830 und 1846...
Ein Theaterkönig stirbt. Und mit ihm die Kunst des Hörens, das mehr ist als das Horchen. Vom Lauschangriff ist allerdings nicht die Rede, schließlich ist Luciano Berios Musiktheater «Un re in ascolto» gute 30 Jahre alt. In Kassel erweist er sich als erstaunlich lebendig. Das liegt vielleicht daran, dass diese azione musicale in due parti bei ihrer Uraufführung 1984...
