Romantische Gratwanderungen
An Aufnahmen von Schuberts letztem Liederzyklus «Schwanengesang» herrscht kein Mangel. Wer sich der erdrückenden Konkurrenz stellt, muss etwas Eigenes zu sagen haben. Markus Schäfer, als Tenor im Barockrepertoire erfahren und bereits auf die 60 zugehend, hat es. Was seiner herben, monochromen, vom Timbre her wenig attraktiven und technisch oft unausgeglichenen Stimme abgeht, macht er durch Gestaltung wett. Bei den lyrischen Stücken muss man über manches hinweghören, obwohl er dem populären «Abschied» einen geradezu hysterisch forcierten Drive gibt.
Aber die reflexiven, düster pessimistischen Lieder erfasst er mit einem Ausdruck, der tiefer dringt als die meisten seiner eleganter und eloquenter singenden Kollegen. Das Rellstab-Lied des «Welthinausziehenden» («In der Ferne») und die Stücke «Die Stadt», «Am Meer» und den «Doppelgänger» aus der Heine-Gruppe singt er mit schmerzvoller, ja geradezu bestürzender Eindringlichkeit, wobei er das gesamte dynamische Spektrum vom expressiven Schrei bis zum kraftlosen, nur mehr hingehauchten Versagen des Tons ausreizt. Schäfers Gesang öffnet dem Hörer einen Raum der Imagination, die an so große Vorgänger wie Karl Erb, Julius Patzak, Peter Pears ...
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Opernwelt November 2019
Rubrik: Hören, Sehen, Lesen, Seite 30
von Uwe Schweikert
Zwar ist 2019 noch nicht vorbei. Doch müsste ein Wunder geschehen, um dieses Offenbach-Jahr noch zu drehen. Sein Ertrag ist – überschaubar: einige Neuproduktionen, doch kaum neue Perspektiven. Und noch weniger Auseinandersetzungen mit Unbekanntem («Barkouf», der im Oktober in Köln Premiere hatte, war schon 2018 in Straßburg herausgekommen).
Das kalauernde Motto...
Alte Liebe rostet nicht. Aber sie vergeht, irgendwann. Das muss auch Wotan, der Wanderer, erkennen, als er, nietzscheanisch beflügelt, Erda aufsucht, die verblühte Schönheit. Reglos, ermattet liegt sie auf jenem breiten Bett, das dereinst beider Leidenschaften diente. Aber auch der Gott ist müde geworden, nicht länger vermag er zu glauben, alle Lust wolle...
Was wohl der weise wie menschenkundige Doktor Marianus zu dieser Szene am Beginn des vierten Akts von «Les Indes galantes» anmerken würde? Er würde vermutlich schweigen, schmunzeln und sehr sanft sein Haupt schütteln. Denn rein gar nichts ist hier von jener reinen Minne zu spüren, die Marianus in der Bergschluchten-Szene aus Goethes «Faust II» besingt, von jener...
