Reich der Sinne
Vor rund einer Generation sind Jean-Pierre Ponnelle und Nikolaus Harnoncourt von Zürich aus auf den Planeten Monteverdi gestartet. «Poppea» war damals eine Sache üppigen Barocks. Jetzt ist Harnoncourt – mit einer Zwischenstation in Salzburg 1993, bei der er sich mit Jürgen Flimm als Partner verbündete – mit «Poppea» an die Limmat zurückgekehrt. Diesmal zeigt die Bühne eine sehr heutige Stadt, deren coole zweistöckige Nobelvilla Annette Murschetz erbaut und auf ein Rotationsplateau platziert hat, mit fließenden Übergängen zwischen den einzelnen Räumlichkeiten.
Auch wenn die Mode gewechselt hat (gefertigt von Heide Kastler in einer der schicken Boutiquen an der Bahnhofstraße) – die Gesellschaft ist sich absolut gleich geblieben: eine total depravierte hedonistische Spaßgesellschaft, die ihren jeweiligen Lüsten und Obsessionen frönt. Mit bestem Gewissen übrigens, weiß sie sich doch als ohnmächtiger Spielball der Götter, von denen Amor gleich im Prolog seinen beiden Kolleginnen Fortuna und Virtù klar macht, wer hier das Sagen hat.
Gleich geblieben ist auch der ganz aus der musikalischen Sprachdeklamation generierte Klangduktus der Produktion, der die Gesangslinien aus der ...
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Im 28. Jahr ihres Bestehens sind die Händel-Festspiele des Badischen Staatstheaters Karlsruhe bei Händels Opern-Opus 1 angelangt: «Almira, Königin von Kastilien», ein Werk des Neunzehnjährigen, komponiert für und uraufgeführt vom Hamburger Theater am Gänsemarkt im Januar 1705. Es ist ein krauses Stück in deutscher und italienischer Sprache, mit vielen Kalauern und...
Das hätte gerade noch gefehlt. Ein «gewisser Goethe aus Frankfurt, seiner Hantierung nach Dr. Jurist, 23 Jahre alt, einziger Sohn eines reichen Vaters» habe sich bei einem Ball auf dem Lande an sein Mädchen herangemacht, schrieb Johann Christian Kestner 1772 aus Wetzlar einem Freund. «Ich konnte erst nachkommen und ritt dahin. Mein Mädchen fuhr also in einer...
Die Stimme der Stadtführerin steigt leicht und wirkt etwas ungehalten: «Der Balkan beginnt viel weiter unten. Wir hier haben immer zu Mitteleuropa gehört.» Klar, die Bemerkung aus der Reisegruppe war unpassend, wenn auch nicht untypisch: Sie hatte Zagreb schlicht dem Balkan zugeschlagen. Für solche geographisch-kulturelle Ignoranz hat man in Kroatien wenig...
