Postmodernes Lehrstück
Kaija Saariaho und ihr Librettist, der in Frankreich lebende libanesische Schriftsteller Amin Malouf, haben für ihre zweite, 2006 in Paris uraufgeführte Oper «Adriana Mater» einen aktuellen Stoff gewählt – die sexualisierte Gewalt im Krieg. Adriana wird von dem Soldaten Tsargo vergewaltigt, entschließt sich aber trotz des Widerstands ihrer Schwester Refka, das Kind zu behalten. Als der siebzehnjährige Yonas später erfährt, wer sein Vater ist, versucht er ihn zu töten, ist aber dazu nicht in der Lage. Der Kreislauf der Gewalt ist damit gebrochen.
«Wir sind nicht gerächt, aber wir sind gerettet», sagt Adriana am Schluss.
Malouf entrückt das Geschehen, das vier traumatisierte Menschen auf engstem Raum zusammenführt, mit oftmals arg geschmäcklerischer Poesie in ein zeitloses Nirgendwo – eine Realitätsflucht, die Saariaho mit den gleichförmigen Klängen ihrer statisch-minimalistisch in langen Linien ausziselierten Musik noch betont. Vollends auf Grund läuft das postmoderne Lehrstück dann in der handlungslosen, zwischen Realität und Traum situierten Schlussszene, wenn die vier Personen monologisch aneinander vorbei in untheatralischer, geradezu peinlich moralischer Korrektheit darüber ...
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Opernwelt Mai 2011
Rubrik: Panorama, Seite 48
von Uwe Schweikert
Die immer wieder mal aufflackernde Debatte über Sinn oder Unsinn der Literaturoper im Zeitalter der (Post-)Moderne ist oft ein Streit um des Kaisers Bart. Denn wenn ein Auftrag für die Bühne winkt, orientieren sich die meisten Komponisten nach wie vor an dem, was die Dichtung spricht. Geschichten aus der Bibel, antike Mythen, Shakespeare, Kleist oder Puschkin...
Liebhaber der Barockoper wissen um die delikaten Entstehungsumstände der Ballet-buffon «Platée», die Mitte des 18. Jahrhunderts im Théâtre de la Grande Ecurie das Kerzenlicht der Opernwelt erblickte. Zwischenzeitlich vergessen, fand das Stück in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts mit der Wiederentdeckung Rameaus (und des barocken Musiktheaters) neben...
Eine gute Oper zu komponieren, dürfte kaum je so schwer gewesen sein wie im Deutschland des ausgehenden 18. Jahrhunderts: Zwischen Gluck und Mozart, dem deutschen Singspiel und der französischen Revolutionsoper gelang es kaum einem der zahlreichen Hofkomponisten, die oft noch mit den Formmodellen der späten Opera seria groß geworden waren, zu einem markanten...
