Opulenter Leerlauf
New York ist für Rossinis «Le Comte Ory» kein Neuland: Nachdem Thomas Schippers die Oper 1962 mit den Philharmonikern und Solisten wie Judith Raskin (Adèle), Shirley Verrett (Isolier) und Norman Treigle (Gouverneur) auf den Spielplan gesetzt hatte, fand das Werk 1979 auch in das Repertoire der City Opera Eingang, geadelt durch so ausgewiesene Rossini-Interpreten wie Rockwell Blake (Ory), Ashley Putnam (Adèle) und Samuel Ramey (Gouverneur).
Überfällig indes war das Met-Debüt dieser reizvollen, ersten französischen Oper Rossinis, auch wenn sie für das riesige Haus ein wenig klein dimensioniert scheinen mag. War es womöglich solchen Erwägungen geschuldet, dass Bartlett Sher eine derart gewöhnliche, übermäßig betriebsame, stellenweise gefährlich flopverdächtige Inszenierung entfesselte? Oder sind seine Dauerpossen, der Rückgriff auf TV-erprobte Comedy-Mimik und die faktische Abwesenheit jeglicher aus dem Text abgeleiteter Personenregie nicht vielmehr der opus moderandi dieses Regisseurs, zumal zahlreiche Elemente (darunter der ermüdende Rückgriff auf ablenkende Statisten) auch schon in Shers früherer «Barbiere»-Produktion an der Met sowie in seiner desaströsen diesjährigen ...
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Opernwelt Mai 2011
Rubrik: Im Focus, Seite 10
von David Shengold
Kultur gleicht manchmal einem Mädchen, das einen reichen Alten heiratet und heuchelt, es sei Liebe – wenn sie nämlich so tut, als gehe es ausschließlich um Höheres. Ihren wahren Charakter (den Warencharakter) zeigt sie indes, wenn ein «Event» ansteht wie jener im April in Wien mit Gaetano Donizettis «Anna Bolena» an der Staatsoper, der ersten Aufführung des Werks...
Es gibt gute Gründe, die Volksbühne als viertes Opernhaus Berlins zu sehen. Denn obwohl am Rosa-Luxemburg-Platz keine regulären Musiktheaterproduktionen gezeigt werden, sind nur wenige deutsche Bühnen seit der Wende so wichtig für die Entwicklung des Musiktheaters gewesen: Die Arbeiten von Regisseuren wie Sebastian Baumgarten, Benedikt von Peter und David Marton...
Je länger diese Aufführung dauert, desto stärker keimt ein Verdacht: Womöglich hat man sich bei Wagners «Tristan und Isolde» schon an zu viel gewöhnt. An Dirigenten, die ihr Heil im effektvollen Ertrinken und Versinken suchen und darob ihren Job als strenger Steuermann vergessen. Auch an Orchester, die willig und billig alles mit Emotion fluten, wo doch minutiöse...
