Niente!
Ein heikles Stück. Der Regie verlangt es alles ab. Vier schwierige Protagonisten hat Brittens 1973 vollendete, letzte Oper «Death in Venice», von denen die Hauptperson, der Schriftsteller Gustav von Aschenbach, überwiegend zum Klavier monologisiert, während Nummer zwei gleich sieben verschiedene Figuren darstellt, die dritte als Stimme des Apollo eine Maske ist und die vierte, der 12-jährige Tadzio, überhaupt keinen Ton von sich gibt, sondern nur herumtollt. Es gibt keine großen Frauenpartien in diesem Totentanz, kein veritables Liebespaar.
Aschenbachs Gefühle für Tadzio bleiben bloßes Kopfkino; nie je verlassen sie die Regionen der Sehnsucht und Selbstreflexion.
Diesen dramaturgischen Schwächen wäre leicht abzuhelfen, bietet das Werk doch eine unvergleichliche Szenerie: eine Stadt, die selbst schon Oper ist und helfen könnte, die zähe Geschichte zu erzählen. In Thomas Manns Novelle «Der Tod in Venedig» tut sie das auch. Bei Britten kann ein solcher Versuch schnell misslingen – sein Bühnenwerk trägt schwer an der Hypothek, dass Luchino Visconti denselben Stoff zwei Jahre zuvor verfilmt hatte. Die Bilder, die Visconti ersann, vergisst man nicht, und bei neuen Inszenierungen drängen ...
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Opernwelt Mai 2017
Rubrik: Panorama, Seite 36
von Volker Tarnow
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Die leere, mit Holzplanken ausgelegte Bühne ragt bis in den Zuschauerraum hinein, das brutal-schöne Bild eines im Wasser liegenden, nur mit einem Slip bekleideten toten Mädchens wird projiziert. In pausenlosen 100 Minuten werden wir zu Augen- und Ohrenzeugen des Menschenschlachthauses, das Aischylos, der älteste der griechischen Tragiker, vor zweieinhalb...
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