Nichts scheint, wie es immer war
ZUKUNFTSMUSIK
Das «unmögliche Kunstwerk» Oper lebt, allen Unkenrufen zum Trotz. Als Beleg mögen abseits der Pflege des kanonischen Repertoires auch und vor allem jene Stücke dienen, die sich mit der Tradition der Gattung auseinandersetzen, dabei aber neue Wege beschreiten. Um solche Werke des Musiktheaters soll es in dieser Rubrik gehen: um Uraufführungen, in denen neue Narrative kreiert werden und die Form selbst auf dem Prüfstand steht, zugleich aber auch jene Rezeption befragt wird, die sich mit der Wiederholung überlieferter Deutungsmuster begnügt. Zu Wort kommen Komponistinnen und Komponisten, Dramaturginnen und Dramaturgen sowie Dirigentinnen und Dirigenten.
Zwei Frauen sitzen nebeneinander. Um sie herum stapeln sich Briefe, Fotografien, alte Unterlagen und Dinge, die einmal Bedeutung gehabt haben. Die beiden Frauen suchen nach den Spuren eines Bewusstseins, das im Begriff ist, sich aufzulösen. Es sind Ellen und ihre erwachsene Tochter Ilse. Ellen hat Alzheimer. Die Sache wird noch komplizierter, als Ellen sich in den langjährigen Familienfreund Owen verliebt und dafür Ehemann Curtis verlassen will.
Hans Thomallas neue Oper «Dark Fall» stellt schwierige Fragen: Wo enden Autonomie und Selbstbestimmung? In wessen Interesse wird gehandelt und wer handelt überhaupt? Wer oder was bestimmt darüber, ob ein Mensch sich verlieben darf? «Dark Fall» erzählt die Geschichte einer Familie in einer Extremsituation. Die vier Figuren der Oper begegnen sich in alltäglichen Situationen, die immer wieder auch in Momente von Leichtigkeit und Komik umschlagen. Das Libretto zu «Dark Fall» hat der Komponist gemeinsam mit der Dichterin und Sprachwissenschaftlerin Juliana Spahr sowie dem Schriftsteller und Journalisten Joshua Clover geschrieben und dabei auf Motive aus Goethes «Wahlverwandtschaften» zurückgegriffen. Eingeflossen sind aber auch reale ...
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Opernwelt Februar 2024
Rubrik: Magazin, Seite 71
von Cordula Demattio
Weder Musik, in der man schwimmt, noch Musik, auf der man tanzt – MUSIK, AUF DER MAN GEHT» forderte Jean Cocteau 1918 in seinem Manifest «Le coq et l’arlequin», das sich die jungen Komponisten der Pariser Groupe des Six um Darius Milhaud, Arthur Honegger und Francis Poulenc zu eigen machten. Ihr schnörkelloser, jede Emotion verweigernder Anti-Impressionismus sagte...
Herr Gerhaher, der Bühnenverein hat vor einiger Zeit mitgeteilt, dass Theater und Konzertsäle über 80 Prozent Auslastung melden, manche Häuser sprechen sogar von weit über 90 Prozent. Ist die Krise ist überwunden?
So etwas hört man. Die Frage ist nur, wie belastbar diese Zahlen sind. Es könnte ja auch bedeuten, dass viele kommen – aber manche nicht zahlen müssen....
Seiner großen, noch dazu unerfüllten und verbotenen Liebe ein noch größeres Denkmal zu setzen, wagte Richard Wagner mit «Tristan und Isolde». Doch das Gigantische und Grenzensprengende der «Handlung in drei Aufzügen» brachte Proben und Aufführungen an den Rand des Scheiterns: Als unspielbar galt der Orchesterpart, der Dissonanzspannungen auftürmt und emanzipiert,...