Niagarafälle, klingend
Kurioser als die Gesangskarriere der amerikanischen Sopranistin Eileen Farrell (1920-2002) ist im 20. Jahrhundert wohl keine verlaufen. Begonnen hat sie mit einer eigenen Radioshow im CBS-Rundfunk, geendet ist sie als Blues-Sängerin mit populären Alben. Dazwischen liegen Triumphe als Konzertsängerin und weniger erfolgreiche Opernauftritte an der New Yorker Met. Sony Classical hat jetzt die 16 LP-Alben, die Farrell zwischen 1951 und 1962 für Columbia aufnahm, in einer Kassette zusammengefasst. Wer nicht längst zu ihren Fans gehörte, wird spätestens jetzt ins Schwärmen geraten.
«She is to singers, what Niagara is to waterfalls», hat der Kritiker Alfred Frankenstein einmal geschrieben. Das trifft – allerdings haarscharf daneben. Gewiss, wenn nötig verfügt Farrell als Puccinis Turandot oder Wagners Brünnhilde über gleißend expansive Töne. Ihre eigentliche Kunst jedoch ist eine der klanglichen Nuancierung. Sie vermag dem Piano einen großen, dem Forte einen unangestrengt sanften Klang ohne jeden metallischen Beigeschmack zu geben. Überwältigend demonstriert die Sopranistin das in Wagners «Wesendonck-Liedern» oder in Brünnhildes Schlussgesang aus der «Götterdämmerung». Sie agiert mit ...
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Opernwelt Mai 2020
Rubrik: Hören, Sehen, Lesen, Seite 35
von Uwe Schweikert
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