Unmöglich
Einen «Blödsinn sondergleichen» hat Marcel Reich-Ranicki «Die Räuber» einmal genannt – und doch bekannt, dass er Friedrich Schillers Dramenerstling, diese «Explosion der Jugend», liebe. Das Problem der selten gespielten Oper, die Giuseppe Verdi und sein Librettist Andrea Maffei im Jahr 1847 daraus gemacht haben, ist, dass sie die, mit Reich-Ranicki, «ungeheuerliche Rebellion» in das bereits betagte Formenkorsett der italienischen Frühromantik zwängen – und dabei Schillers Unwahrscheinlichkeiten mit den traditionellen der Oper potenzieren.
An der Bayerischen Staatsoper verlegt Regisseur Johannes Erath «I masnadieri» deshalb in einen Traumraum von Kaspar Glarner, in dem von vornherein jede Unwahrscheinlichkeit wahrscheinlich ist. Hinter einem Gazeschleier leuchtet in unwirklichem Schwarz-Weiß ein alter Palazzo, dessen Wände mittels Videoprojektionen weiter und enger werden. Der Familienesstisch verlängert sich ins Endlose; Särge, Tannen und sogar eine Gruppe weißer Hirsche fahren herein; die titelgebenden Räuber, bei denen sich die Herren des Staatsopernchors spielfreudig austoben, werfen in der subtilen Lichtregie von Olaf Freese tiefe Schatten. Erath deutet den zentralen ...
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Opernwelt Mai 2020
Rubrik: Panorama, Seite 46
von Michael Stallknecht
«Mir graut vor meinem Schatten», schrieb Arno Holz. Grauen, Angst vor etwas, das nicht weicht, an uns klebt und gelegentlich überholt. Angst vor dem Unwägbaren, das uns sogar veranlasst, den Grundtrieb des zoon politikon, des Gemeinschaftswesens, zumindest zeitweise zu verleugnen. Und dazu bringt, uns zu vereinzeln – etwa Opernaufführungen allein vor dem Fernseh-...
Liebe Leserin, lieber Leser,
die Zeit ist aus den Fugen. Wir hätten nie gedacht, dass unsere Städte und Länder den Shutdown erleben, dass Theater schließen, Opern nicht mehr spielen, Tänzer nicht mehr tanzen; jedenfalls nicht mehr öffentlich auf der Bühne, sondern bestenfalls im Streaming.
Menschenleben stehen «zur Disposition», wenn nicht mehr allen...
Nach 66 Minuten fängt das Leben an. Das Leben in Freiheit, als lange schon gehegter Wille und Wunsch. Eine Tür wird zur Seite geschoben, Luft (von anderen Planeten?) strömt herein, nur eine Jalousie versperrt noch den Weg ins Licht. Doch just in diesem Augenblick endet alles: die Musik, die Worte und Stimmen, der Gesang, die Bewegung. Und plötzlich wirkt die Große...