Mal ehrlich Juli 2017
Zu einem Auftritt an der Met habe ich’s nie gebracht. Ich glaube auch kaum, dass es noch dazu kommt. Macht nichts; wahrscheinlich kämen wir, die Met und ich, ohnehin nicht miteinander aus. Ich habe mir da das eine oder andere angesehen: Stets schien mir das Publikum sehr betagt und konservativ. Wer nicht schon nach ein paar Takten selig schlummerte, beschwerte sich bitterlich über das «neumodische» Aussehen dieser oder jener herzlich zahmen Produktion. Wieder andere schienen nicht mal zu wissen, welches Werk sie gerade sahen.
Applaus brandete bei jeder Sichtung des Rolex-gesponserten Stars auf, ansonsten richtete sich der Beifallspegel eher nach dem Kulissenprunk als nach der Qualität des Orchesters. Fehlt nur noch Andrea Bocelli in einer ernsten Rolle.
Die Met ist New Yorks einzige vollwertige Opernbühne und damit Arbeitgeber Nummer eins für die Sängerpopulation der Stadt, wenn nicht Amerikas – schließlich spült es praktisch jeden irgendwann hierher. Als Chormitglied kann man hier eine Viertelmillion Dollar in der Saison machen, weit mehr als die allermeisten Solisten. Heerscharen von Vokalreservisten und Nebendarstellern finden hier ein Auskommen. Als Cover heuern Künstler an, ...
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Opernwelt Juli 2017
Rubrik: Aus dem Leben eines Taugenichts, Seite 71
von Christopher Gillett
Das Kreischen der U-Bahn? Einfach ausgeblendet. Intime Unterhaltungen verschwitzter Fremder? Weg. Auf Knopfdruck verwandelt sich die Höllen-Soundscape in weise Worte. Oder Stille. Oder zu Janáček – was sich die jungen Leute eben so auf die Ohren knallen. Natürlich können längst auch viele dasselbe hören, kabellose Übertragungstechnik macht’s möglich. So lassen sich...
Jonathan Meese beim Schlussvorhang im Theater an der Wien: an Don Quichote und Räuber Hotzenplotz erinnernd, dem Publikum die Zunge herausstreckend und Löcher in die Luft boxend. Aber Achtung, fake news: Der da oben sein vermeintliches Unmeesen treibt, ist nicht der eigentliche JM (der soll einer der nettesten Menschen überhaupt sein), sondern die Kunstfigur, der...
Das leibhaftige Leben ist ja manchmal sowas von verismo (um nicht zu sagen abgeschmackt), dass es noch den ausgebufftesten Poeten rechts überholt. Zum Beispiel im Fall von Anna Sutter, der Starsopranistin am Stuttgarter Hoftheater, einer bejubelten Carmen und bewunderten Salome: erschossen vom eifersüchtigen – weil ehemaligen – Liebhaber, einem Hofkapellmeister....
