Ist nicht die Seele nur ein Wahn?
Ein Biedermeierkomponist, ein Fabrikant von Potpourris hübscher Melodien, den man tunlichst nicht in einem Atemzug mit Weber und Wagner nennt: Diese tief verwurzelten Vorurteile gegen den Komponisten Albert Lortzing widerlegte das Gewandhausorchester Leipzig jetzt grandios. Erst die gewaltig berstende Ouvertüre und später manch andere symphonisch-polyphone Passage erweckten den unbekannten Lortzing zum Leben, den Meister des souverän beherrschten Tonsatzes. Und Christoph Gedschold wusste vom Pult aus der ausgefeilten Instrumentation die wärmsten Töne abzugewinnen.
Die in Leipzig gegebene Fassung der «Undine» – die «vollständigste» Version seit vielen Jahrzehnten – etabliert das Werk als ein durch seine musikalischen und textlichen Motive eng verzahntes Gebilde, als einen ehernen Fels in der allzu oft seichten See deutscher Opernromantik.
Lortzing vermochte aus dem Souterrain gaukelnder Theatertruppen bis in den Olymp zu steigen, denn er war eine «synthetische Person», wie Novalis sie charakterisiert hatte, «eine Person, die mehrere Personen zugleich ist – ein Genius». Der Pluralismus als innerstes Wesen der Romantik, dank Tiecks «Phantasus» einst auf der künstlerischen ...
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Opernwelt 12 2022
Rubrik: Im Focus, Seite 16
von Volker Tarnow
Warum muss Elsa sterben? Während Richard Wagner der zu Unrecht des Brudermords beklagten jungen Frau – von ihrem ersten (Traumerzählungs-)Auftritt bis zum bitter tragischen Ende der gescheiterten Beziehung zu ihrem Retter Lohengrin – einen somnambulen Charakter zuschreibt und sie schließlich «langsam entseelt in Gottfrieds Armen zu Boden» gleiten lässt, ist sein...
Sind das Wasserleichen, die da in diesem riesigen, hellen und mit kühlem Nass befüllten Kubus liegen? Langsam beginnen diese Wesen, sich – choreografisch wohlsortiert kreisend – in ihrem Element zu wälzen, breiten die Arme aus und lassen sie auf die Oberfläche platschen. Später bilden sie allerhand Knäuel und Klumpen, ihre Körper scheinen miteinander zu...
Das Feuer: Zweck und Ende», schreibt Regisseur Cesare Lievi über Verdis «Il trovatore», diese «opera notturna», in der alles schon eingeäschert scheint, bevor es überhaupt beginnt. Für das Teatro del Maggio Musicale Fiorentino hat Lievi das Dramma lirico in ein aschegraues Schauermärchen mit Horrorfilmanleihen verwandelt. Krisselig-düster flimmert die Leinwand im...
