In Kirilows Welt

Mozart: Don Giovanni
Gelsenkirchen | Musiktheater im Revier

Opernwelt - Logo

Also gut, spielen wir das Spiel vom Tod. Spielen wir es sowohl für ihn als auch mit ihm, zynisch vernünftig, sardonisch lachend, genüsslich, und packen alles hinein, was dazugehört: Blut, Nervenkitzel, russisches Roulette, Scheinhinrichtung, Totenmaske, makabre Scherze. Spielen wir es ohne Demut vor jedweder Moral und vor dem Leben (ihr wisst doch alle, was Dostojewskis Kirilow gesagt hat: Die einzige Freiheit liegt im Selbstmord!), mit einem Hauch von nekrophilem Sexappeal.

Und vor allem: Spielen wir es zu dieser unglaublich abgefahrenen Musik von Mozart!

So in etwa könnte die ideelle Verabredung gelautet haben, die Regisseur Ben Baur mit sich und seinem Team getroffen hat für diesen Abend. «Don Giovanni» als Dokument des Nihilismus aus dem Geiste des Existenzialismus, als Beweis dafür, dass der feineren Gesellschaft vor lauter Langeweile nur noch Extremistisches gefällt. Schade nur, dass einer eine Halbzeit lang nicht mitspielt: GMD Rasmus Baumann hat seinem Orchester, der Neuen Philharmonie Westfalen, anscheinend Schlafmittel verabreicht. Bis zum ersten Finale holpert und stolpert und schleppt die Musik hinterher, schematisch-schwerfällig, mit falschen Betonungen, ohne Esprit, ...

Weiterlesen mit dem digitalen Monats-Abo

Sie sind bereits Abonnent von Opernwelt? Loggen Sie sich hier ein
  • Alle Opernwelt-Artikel online lesen
  • Zugang zur Opernwelt-App und zum ePaper
  • Lesegenuss auf allen Endgeräten
  • Zugang zum Onlinearchiv von Opernwelt

Sie können alle Vorteile des Abos
sofort nutzen

Digital-Abo testen

Opernwelt Juli 2017
Rubrik: Panorama, Seite 39
von Jürgen Otten

Weitere Beiträge
Verplanscht

Die Bebilderung von Liedzyklen und Oratorien ist ein riskantes Unterfangen, sind doch die meisten Werke so komponiert, dass sie ohne szenische Zutaten auskommen. Nicht immer lässt sich daraus ein Mehrwert generieren, wie es der Pianist und amtierende Intendant der Salzburger Festspiele, Markus Hinterhäuser, 2014 bei Franz Schuberts «Winterreise» geschafft hat, die...

Zweierrennen

Grenzen zu überwinden, ist ein Menschheitstraum: die Schwerkraft (Fliegen), den Tod (Medizin), das noch Unbekannte, dem sich die Entdecker, oft auch Eroberer verschrieben. Wo noch nie ein Mensch war, will man hin, als Erster natürlich. Es ist ein primär männlicher Impuls der Weltbeherrschung, zugleich mystisch-mythisch-metaphysisch unterfüttert. «L’aqua, ch‘io...

Der letzte Mohikaner

Vor vielen Jahren erregten zwei steile Kritiker-Sätze einigen Unmut: «Erst wenn meine Rezension erschienen ist, hat die Sache überhaupt stattgefunden.» Und: «Es gibt in einem Artikel nur eine wirklich wichtige Information: der Name des Autors.» Der diagnostische Bannfluch folgte prompt: eitle Hybris. Ganz falsch war das natürlich nicht – aber auch nicht unbedingt...